Mehr Bier
mit schwarzen, lockigen Haaren, »…es wird vermutet, daß sich die Gesuchten im Raum Frankfurt oder Südhessen aufhalten. Für Hinweise steht jede…«
»Wir zahlen.«
Slibulsky hatte schon den Mantel an, als der Kellner auf uns zukam.
»Meine Herren, ich bitte Sie. Essen Sie. Keine Angst.« Er preßte meine Hand.
»Ich Neapel. Schöne Stadt und schöne Menschen, und Polizei…«, er ballte die Faust, »…tutti figli di una putana!«
Wir setzten uns wieder hin. Der Kellner wünschte noch einmal guten Appetit und ging zur Theke. Slibulsky brummte. »Das nächste Ding drehen wir in Italien.« Und ich: »Für den Mord habe ich ein Alibi.«
»Ach, ja?«
»Zu der Zeit haben wir das Präsidium umgekrempelt.«
»Das beruhigt mich. Also, Abteilung Einbruch und Diebstahl. Vielleicht bekommen wir eine Gemeinschaftszelle. Spielst du Schach?«
Er sah wieder aus dem Fenster.
3
Meyer starrte uns an. Seine Finger kneteten die Tischkante.
»Sie… Sie, was…?«
»Ich brauche die Personalakten von allen, die zwischen neunzehnhundertsiebenundsechzig und siebzig hier gearbeitet haben.«
Meyer riskierte ein Lächeln und stotterte: »Aber, eben war die Polizei hier… Ihretwegen. Ich… ich muß melden… Sie…«
Seine Hand tastete in Richtung Telefon. Ich zog die Beretta raus und legte sie auf die Fensterbank.
»Rufen Sie Ihre Personalabteilung an. Und keine Tricks.«
Beim Anblick der Kanone wurde er weiß um die Nase und tat wie befohlen. Als er den Hörer aufgelegt hatte, fragte ich ihn: »Die Polizei war hier?«
Er nickte schnell.
»Was wollte sie?«
Unsicher sah er zu Slibulsky, dann wieder zu mir.
»Sie werden wegen Mord…«
Er stockte. Slibulsky, mit verschränkten Armen gegen die Tür gelehnt, brummte irgendwas. Ich sah aus dem Fenster auf die Trinkhalle von Friedrich Bölligs Mutter. Dann kam der dicke Mann vom letzten Mal und wuchtete die Ordner auf den Tisch. Zehn Minuten später hatte ich es schwarz auf weiß. Herbert Kollek, Leiter der Werbeabteilung ›Chemie Böllig‹ wurde am zehnten Dezember neunzehnhundertneunundsechzig fristlos entlassen. Ich riß die Seite raus und steckte sie ein.
»Seit wann arbeiten Sie hier, Herr Meyer?«
Er schaute verwundert: »Achtundfünfzig habe ich im Lager angefangen.«
»Kannten Sie Herbert Kollek?«
»Ja… natürlich.«
»Weshalb wurde er entlassen?«
»Ach, wissen Sie…«, er schluckte, »so genau… ich meine, es waren wohl private Gründe von Herrn Böllig. Die beiden kannten sich vom Studium.«
Ich ging zum Fenster und nahm die Beretta wieder an mich.
»Freunde?«
»Na ja…«
Er sah zu Boden.
»Und eines Tages Feinde. Haben Sie eine Ahnung, was Kollek heute treibt?« Überrascht blickte er auf.
»Wissen Sie denn nicht…?«
»Doch, ich weiß.« Nach einer Pause: »Jetzt weiß ich.« Ich nahm die dicke Paketschnur und ging zu Meyer.
»Legen Sie die Hände auf den Rücken. Tut mir leid. Aber spätestens heute abend ist es vorbei.«
Meyer machte ein unglückliches Gesicht und ließ alles stumm über sich ergehen. Ich knebelte ihn mit meinem Schal. Slibulsky schüttelte den Kopf.
»Der Kerl stirbt ja vor Angst. Noch ‘n Anklagepunkt.« Ich legte Meyer auf den Boden, ging mit Slibulsky hinaus und schloß die Tür ab. Die Sekretärin war nicht zu erblicken.
Es klingelte drei Mal.
»Kessler.«
»Kessler? Wußten Sie eigentlich, daß Herbert Kollek es hervorragend verstanden hat, seine Pflicht als V-Mann mit reinen Privatinteressen zu verknüpfen? Haben Sie sich nie gefragt, warum sein Postfach ausgerechnet in Doddelbach ist?«
Ich legte auf.
Ich stand an einen Baum gelehnt und rauchte. Slibulsky fluchte über nasse Füße und erzählte was von Palmen, von Strand und netten Mädchen. Es hatte wieder angefangen zu regnen. Wir standen etwa fünf Meter vor der Mauer zum Böllig-Grundstück. Links die Schornsteine der Fabrik, rechts die Birkenkronen der Privatklinik. Ich schielte über die Mauer. Alles war ruhig. Mini und Benz standen vor der Tür. In der Villa brannte Licht.
Ich zog einen Flachmann aus der Tasche. Wir nippten, rauchten und froren. Dann begann ich Kesslers Kalenderbuch noch einmal durchzugehen, was mich die nächsten zwei Stunden beschäftigte. Gewissenhaft und sorgfältig hatte er jede Kleinigkeit notiert, sogar den geplanten Besuch eines Spiels der Eintracht gegen den HSV. Das alles zu lesen war nicht besonders spannend, aber vier kleine Eintragungen machten aus der Sache Böllig eine verdammt klare Geschichte. Dabei
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