Mehr Sex weniger Abwasch
Sache ist. Und so fuhr er den ersten satten Gewinn ein: 60 0 000 US -Dollar aus einer Spekulation, die darauf setzte, dass die europäischen Finanzmärkte im Sommer 2005 einbrechen. In den darauf folgenden anderthalb Jahren setzte er immer größere Kapitalsummen, von denen einige hier und da kolossale Gewinne erzielten, darunter 38 Millionen Dollar im Februar 2007 sowie 700 Millionen Dollar fünf Monate später.
Anfang 2008 jedoch verließ ihn sein Glück schlagartig. Eines schönen Freitags, die Märkte befanden sich auf Talfahrt, versuchte Kerviel verzweifelt, mit hektischen Käufen und Verkäufen seine Verluste wieder reinzuholen. Er verwendete Gelder der Bank, wieder und wieder, überschritt sein Handelslimit und setzte Milliarden ohne Gegengeschäfte aufs Spiel. Bis zum Ende des Tages hatte er nicht nur nichts wieder hereingeholt, er lag obendrein bei 2,2 Milliarden im Minus. Bis zu seiner Festnahme an jenem Wochenende lag der Gesamtverlust bei 7,2 Milliarden!
Andrew Lo, Professor für Finanzwirtschaft am Institute of Technology in Massachusetts, der die Rolle von Gefühlen in Handelsgeschäften untersucht hat, fasst ein solches Verhalten wie folgt zusammen: » Wenn man sich von der Vernichtung bedroht fühlt, handelt man, als sei alles egal.«
Diese Verzweiflung – sowie die Milliarden von Dollar, die tagtäglich an der Börse aufs Spiel gesetzt werden – macht die Risikoaversion zu einem so faszinierenden und ergiebigen Forschungsgebiet für Verhaltensökonomen.
Ende der 1970er-Jahre demonstrierten die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky in einer Reihe heute legendärer Experimente, wie die Risikoaversion funktioniert. Im Rahmen eines dieser Versuche baten sie eine Gruppe von Studenten, sich zwischen zwei Wetten zu entscheiden:
eine Wette mit einer 100-prozentigen Gewinnchance auf 3000 US -Dollar
eine Wette mit einer 80-prozentigen Gewinnchance auf 4000 US -Dollar – und damit einer 20-prozentigen Chance, keinen Gewinn zu erzielen.
80 Prozent der Probanden entschieden sich für das sichere 3000-Dollar-Los, obwohl der zu erwartende Gewinn bei der zweiten Option höher lag. Sie gaben dem sicheren Gewinn gegenüber dem möglichen Gewinn den Vorzug. Anders gesagt: Sie wollten nicht riskieren, am Ende leer auszugehen.
Kahnemann und Tversky formulierten die Frage dann anders. Nun sollten sich die Studenten zwischen folgenden beiden Wetten entscheiden:
eine Wette mit der 100-prozentigen Chance auf 3000 US -Dollar Verlust
eine Wette mit der 80-prozentigen Chance auf 4000 US -Dollar Verlust und damit der 20-prozentigen Chance, ohne Verlust davonzukommen.
Diesmal entschieden sich 92 Prozent der Versuchsteilnehmer für die Option auf 4000 Dollar, obwohl dies einen potenziell größeren Verlust bedeutete. Die 100-prozentige Chance auf Verlust schreckte sie derart ab, dass sie das Risiko eingin gen, am Ende einen noch größeren Verlust zu machen.
Betrachten wir die beiden Versionen genauer. Ging es um die Wahl zwischen zwei Gewinnen (wie im ersten Beispiel), scheuten die Teilnehmer des Experiments das Risiko. Ging es hingegen um zwei Verluste (wie im zweiten Beispiel), zeigten sie sich trotz eines potenziell größeren Verlusts sehr viel risikofreudiger. Im Falle eines solchen Verhaltens wirkt die Risikoaversion: Zusammenhänge der Realität werden verdreht.
Die Risikoaversion ist auch der Grund dafür, warum der Verbraucher Preissteigerungen stärker wahrnimmt als Preisminderungen. Oder ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass der Liter Benzin billiger geworden ist? Doch sobald der Spritpreis um 0,1 Cent pro Liter steigt, ist die Aufregung groß. Oder wie ist Ihr Verhalten zu deuten, wenn Sie auf der Autobahn im Stau stehen, kostbare Zeit verlieren, wo Sie doch schon längst zu Hause sein könnten, und Sie in der Hoffnung, auf der Landstraße schneller voranzukommen, die nächste Ausfahrt nehmen, nur um noch mehr Zeit zu verlieren, weil alle Ampeln auf Rot stehen?
Wie Sie sehen, verleitet uns die Risikoaversion in allen möglichen Lebenslagen zu abstrusen Verhaltensweisen. Der Witz an der ganzen Sache ist aber der, dass die Risikoaversion auch in Ihre Partnerschaft hineinspielt. Wenn sie zu wirken beginnt, streiten Sie vermutlich endlos mit Ihrem Partner, weil Sie nicht verlieren wollen. Sie weigern sich, Kompromisse einzugehen, weil Sie dafür Ihren eigenen Standpunkt aufgeben müssten. Sie denken gar nicht daran, sich zu entschuldigen, weil Sie das Gesicht nicht verlieren wollen. Und dabei verkennen
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