Mehr Sex weniger Abwasch
Lehman auch anders hätte laufen können, hätte der Konzern seine Verluste beizeiten eingeräumt, die notwendigen Abschreibungen vorgenommen und sich einen Käufer gesichert, bevor alles zu spät war. Wer weiß? Lehman hätte die Krise unter Umständen überstanden, die Rezession wäre vielleicht milde verlaufen, Sarah Palin wäre eventuell in ruhige vier Amtsjahre als Vizepräsidentin gestartet und Millionen von Amerikanern würden heute immer noch glücklich und zufrieden in ihren vollfinanzierten Vorstadthäusern leben.
Die Lösung : Darüber schlafen
Aber bleiben wir bei Amy und José und sehen uns an, was mit den beiden geschah.
Es war Amy, die anstieß, dass sich etwas ändern musste. Und zufälligerweise war ihr Ansatz der gleiche wie der von David Einhorn, dem Hedgefonds-Manager von Greenlight Capital, wenn seine Risikoaversion sich meldete. Einhorn erzählte uns, was er dann normalerweise tat: Wenn er mit dem Management einer Firma, in die er Millionen investiert hatte, unzufrieden war und befürchtete, dass die Firma pleitegehen könnte, legte er die betreffenden Unterlagen in eine Schublade und gönnte sich erst einmal eine Auszeit. Anstatt die Aktien in Panik zu verkaufen – was eine emotionale Reaktion gewesen wäre, befeuert durch das Gefühl der unmittelbar bevorstehenden Verluste –, schlief er erst einmal eine Nacht darüber. Am nächsten Morgen, so Einhorn, sah er dann meist wieder klarer. Nicht, dass sich die Probleme der Firma über Nacht in Luft aufgelöst hätten, aber er war nun offener für Lösungsansätze, mit denen sich potenzielle Verluste möglicherweise abwenden ließen.
Schon erstaunlich, wie eine so alte Weisheit ( » darüber schlafen«) auf ein so neuzeitliches Problem ( » viel Geld zu verlieren«) anwendbar ist.
Oder auf einen (Beziehungs-)Streit. Nachdem sie sich zum x-ten Male bis spät in die Nacht gestritten hatten, befand Amy, dass es so nicht weitergehen könne. Auch wenn sie das Gefühl hatte, im Recht zu sein, schien sie mit ihrer Wut alles nur noch schlimmer zu machen: » Ich dachte immer, José müsse doch begreifen, dass ich Recht hatte, aber nein, Stunden später war immer noch Geschrei.«
Auf den Rat ihrer Mutter hin beschloss sie, sich zukünftig an die sogenannte 24-Stunden-Regel zu halten. Sie wollte fortan jedes Gefühl von Wut, das in ihr hochstieg, für mindestens 24 Stunden unter dem Deckel halten. Nicht, dass sie ihre Emotionen in sich hineinfressen wollte, aber sie wollte sehen, wie sich diese Gefühle 24 Stunden lang anfühlten. War ein Tag vorüber und es kochte innerlich noch immer in ihr, beabsichtigte sie, das Thema anzusprechen; wenn sie aber merken sollte, dass sich die Wut halbwegs gelegt hatte, wollte sie es dabei bewenden lassen.
Für Amy, die ein Leben lang geglaubt hatte, dass man jeden Streit sofort bereinigen müsse und es nicht gut sei, ein Gefühl der Wut mit sich herumzutragen, stellte dies eine echte Kehrtwende dar.
Das erste Mal, so erzählte sie, hatte sie fast das Gefühl, » zu explodieren«, als sie sich abends neben José ins Bett legte und es sich verbiss, ihm vorzuhalten, dass er mal wieder vergessen hatte, das Geld für den Babysitter abzuheben. » Das Einzige, woran er denken sollte«, sagte sie. » Doch er dachte nie an irgendetwas, und das war das Problem.«
Trotzdem, Amy sagte keinen Ton. Auch am folgenden Morgen nicht. Ohne zu wissen, was in Amys Kopf vorging, rutschte José im Halbschlaf zu ihr hinüber, nahm sie in den Arm und küsste sie in den Nacken. An jenem Abend drückte er ihr das Geld für den Babysitter unaufgefordert in die Hand und entschuldigte sich dafür, es am Vortag vergessen zu haben. » Ein Wunder«, sagte Amy.
Einige Monate später hatte die 24-Stunden-Regel ihre Wirkung deutlich unter Beweis gestellt. Häufigkeit und Intensität der Streitereien hatten nachgelassen. Amy hatte nun keine Angst mehr, am Ende eines Streits auch mal als Verlierer dazustehen und ärgerte sich auch nicht mehr darüber, dass José nicht sah, dass sie viel mehr machte als er. Oder dass er sie hier und da mit seinen Worten verletzte. Oder dass sie nicht genau die Entschuldigung von ihm bekam, die sie erwartete. Schließlich hatte sie José ja nicht von ungefähr geheiratet. Doch je öfter sie auf ihm herumgehackt hatte, desto weniger war er bereit gewesen, ihr zuzuhören.
Und genau hier sind sich Ökonomen und Psychologen einig. » Eine Auszeit ist eine großartige Idee«, meint der Medizinpsychologe und
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