Mehr Sex weniger Abwasch
meisten von uns keine Lust zum Sparen haben. Dabei wollen wir ja sparen. Wir nehmen uns vor zu sparen. Aber wenn es konkret wird, geben wir unseren letzten Cent für eine neue Jeans oder eine kosmetische Zahnbehandlung aus.
Die Sichtweise der alten Schule
Der neoklassische Ansatz der Ökonomie bietet kaum eine Erkenntnis darüber, warum wir nicht sparen. Er befasst sich nicht mit einer Psychoanalyse des menschlichen Geists. Die neoklassische Theorie geht davon aus, dass der Mensch ein rationales Wesen ist und entsprechend handelt – Konto ausgleichen, sich gesund ernähren und für seine Liebsten sorgen. Nach dieser Auffassung müssten wir berechnen, wie viel Geld wir später im Alter benötigen, um dann den exakten Betrag, in den wir die 20,6 Arbeitsjahre, die noch vor uns liegen, die zwei Prozent Inflation sowie eine Anlagerendite von grob vier Prozent einkalkuliert haben, von heute an anzusparen. Neoklassiker beschäftigen sich mit Kurven wie dieser hier, welche die kräftigen Zuwächse pro Zinsperiode veranschaulicht, und sagen sich: » Wer nicht spart, ist selber schuld.«
Es existieren, wie gesagt, mehrere Gründe, warum wir so schlecht darin sind, kluge intertemporale Entscheidungen zu treffen. Neben dem Hyperbolic Discounting gibt es eine weitere Ursache, die als Hot-Cold Empathy Gap (wörtlich: die » kalt-heiße Empathie-Differenz«) bekannt ist: Wenn wir uns in einem cold state, einem » kalten« emotionalen Zustand (ruhig, vernünftig, ausgeglichen) befinden, sind wir hundertprozentig zuversichtlich, dass unsere Zukunft ebenfalls ruhig, vernünftig und ausgeglichen sein wird. Kommen Ihnen folgende Gedanken bekannt vor?
Wenn ich heute Abend im Kino bin, ignoriere ich den Popcorn-Stand und knabbere stattdessen mein Studentenfutter.
Morgen muss ich sehr früh aufstehen, weil ich Kickbox-Training habe, also trinke ich auf der Party nur ein Gläschen und liege um zehn im Bett.
Klar begleite ich dich ins Einkaufszentrum, aber nur zum Schaufensterbummel.
Kondome benutzen – unbedingt!
Dumm nur, dass wir uns aus diesem » kalten Zustand« herausbewegen, sobald es darangeht, unser Handeln konsequent nach diesen Entscheidungen auszurichten. Wir bewegen uns in einen hot state, in einen heißen Zustand hinein und sind geneigt, das genaue Gegenteil dessen zu tun, was wir uns im cold state vorgenommen haben.
» Befinden wir uns zum Beispiel nicht in einem heißen Zustand (hungrig, angstvoll, schmerzgeplagt), sind wir kaum in der Lage, uns einen solchen Zustand realistisch vorzustellen oder die motivierende Kraft zu verstehen, die solche Zustände auf unser Verhalten haben können«, schreibt George Loewenstein, Wirtschaftswissenschaftler in Pittsburgh und der Mann, der den Begriff Hot-Cold Empathy Gap geprägt hat.
Befinden wir uns in einem heißen Zustand, gehen wir nach der Sperrstunde mit dem Barmixer nach Hause – wen kratzt das schon? Wir kaufen nicht den kleineren Fernseher, den wir eigentlich kaufen wollten, sondern wir legen 3500 Euro für ein riesiges LED / HDTV -Gerät hin, damit wir Filme auf Blu-Ray-Disc aufnehmen können. Wir kaufen spontan den Zwergschnauzer aus dem Schaufenster der Tierhandlung, beschimpfen unseren besten Freund und brüllen unseren Ehepartner an, weil er vergessen hat, den Kindern Karotten mit zum Pausenbrot zu geben.
Befinden wir uns in einem heißen Zustand, sagen wir Dinge, die wir nicht so meinen, handeln so, dass es uns später leidtut, und verletzen unseren Ehepartner so sehr, dass wir unter Umständen Jahre brauchen, um es wiedergutzumachen. Befinden wir uns in einem kalten Zustand, können wir uns den heißen Zustand, in den wir bisweilen geraten, gar nicht vorstellen.
Eine neuere Studie veranschaulicht die Heiß-Kalt-Differenz auf sehr anschauliche Weise. An der University of California wurden männliche Studenten zur Teilnahme an einer Studie zum Thema » Entscheidungsfindung und Erregung« gesucht. Die Fragen hatten mit Sex, einschließlich sexueller Vorlieben, ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder unmoralischen sexuellen Verhaltensweisen zu tun. Der Haken: Bevor die Studenten die Fragen beantworten durften, wurden sie aufgefordert, sich vorzustellen, sie seien sexuell erregt (um einen » kalten« Zustand darzustellen); in einem zweiten Durchlauf wurden sie dann gebeten, vor der Beantwortung der Fragen zu masturbieren (um einen » heißen« Zustand hervorzurufen).
Dass die Antworten der beiden Durchgänge sehr unterschiedlich ausfielen, können Sie sich
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