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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Örtlichkeit, wenn sie leer sind), konnten wir einfach sagen: »Ich gehe in den AV-Raum, um eine wichtige Instandsetzungsarbeit an einer Bell and Howell 1040-Z vorzunehmen.« Was sogar mehr oder weniger zutraf. Man sagte natürlich nicht, dass man, wenn man schon mal da war, auch eine halbe Schachtel Chesterfield rauchen wollte.
    Auf Weisung Willoughbys traten wir also zu fünfzehnt in den Club ein, und unsere erste Amtshandlung war, die bisherigen Mitglieder rauszuwählen. Als Alibi-Freak durfte Milton Milton bleiben – er hatte uns eine halbe Flasche Crème de Menthe geschenkt, die er aus der Hausbar seines Vaters gestohlen hatte, und gedroht, er werde uns bei seinen Eltern, dem Direktor, der Schulaufsicht und dem Bezirkssheriff, einem angeblich engen Freund seiner Familie, verpetzen, wenn er nicht im Club bleiben durfte.
    Der AV-Raum war in einer abgelegenen Ecke versteckt, ganz hinten im obersten Stock. Er war wie der Schuldachboden. Dort befanden sich eine große Anzahl alter Theaterkulissen, Kostüme, Theatertexte, Jahrbücher aus den 1920er und 1930er Jahren und verstaubte Regale mit Filmen – Gesundheitserziehungsfilmen, Aufklärungsfilmen, Filmen à la »Von Marihuana kriegt man Gehirnerweichung« und vielen anderen. Manch glückliche Stunde lang ließen wir dort die Aufklärungsfilme über die Wände flimmern.
    Als Willoughby dann ein Gerät zum Filmekleben entdeckte, verbrachte er Stunden damit, die Streifen nach seinem Gusto umzuschneiden. Zum Beispiel schnitt er im Stechschritt marschierende Nazis in Filme über den Oregon Trail und dergleichen. Zu Höchstform lief er bei einem Aufklärungsfilm auf: Da folgten einer Erzählpassage »Johnny hat soeben seinen ersten nächtlichen Samenerguss gehabt« Aufnahmen von Marineakademiekadetten, die ihre Mützen in die Luft warfen.
    Im AV-Club lernte ich also, wie gesagt, einen Schüler kennen, der katholische Schulen durchlaufen hatte und Stephen Katz hieß. Diesem Stephen Katz habe ich allerdings bei keiner der Gelegenheiten, bei denen ich ihn in meinen Büchern habe auftreten lassen, auch nur annähernd Gerechtigkeit widerfahren lassen – das könnte kein normaler Autor –, und es wird mir, fürchte ich, auch jetzt nicht gelingen. Ich will also nur sagen, dass er der außergewöhnlichste Mensch ist, den ich je kennen gelernt habe, und in vieler Hinsicht auch der beste. Damals war er der munterste, freundlichste, am meisten jederzeit partybereite Mensch auf Gottes weitem Erdboden, wenn er nüchtern war, und das alles umso mehr in betrunkenem Zustand, was er selbst im Alter von 14 die meiste Zeit war. Ich habe nie jemanden erlebt, der von Rauschmitteln so angezogen und auf so liebenswürdige Weise vertraut mit ihnen war. Er war vom ersten Augenblick an verlockend gefährlich.
    Katz, Willoughby und ich schwänzten oft die Schule und verbrachten ganze Tage mit Versuchen, die Kommode von Willoughbys älterem Bruder Ronald aufzubrechen. Ronald besaß eine enorme Kollektion Männermagazine, die er einbruchsicher in einer großen Kommode in seinem Zimmer weggesperrt hatte. Er war der älteste und klügste der Willoughby-Jungs und hatte bei weitem die besten Manieren – war Ministrant, Pfadfinder, Mitglied der Schülermitverwaltung, Aufsichtsschüler im Eingangsbereich, also ein ausgemachtes Arschloch –, und er war gewiefter als seine drei Brüder zusammen. Nicht nur war jede Schublade seiner Kommode raffiniert verschlossen, sondern sie hatte auch, wenn man sie denn aufbekam, einen undurchdringlichen Deckel, der offenbar keinerlei Zugang bot. Obendrein war in seinem Zimmer vieles, vom Türknauf bis zu bestimmten Bodendielen, mit einem tödlichen Sprengsatz versehen. Der Eindringling erhielt, je nachdem, was er berührte oder woran er herumfummelte, einen kräftigenden elektrischen Schlag, geriet in Simultanattacken von Flugkörpern, fallenden Gewichten, schwingenden Hämmern sowie in Mausefallen, die über ihm zuschlugen, oder er wurde großzügig mit selbst gemachtem Pfefferspray eingenebelt.
    Ich erinnere mich besonders an einen Moment kurzlebigen Entzückens, als Willoughby nach Stunden kriminalistischer Kleinarbeit endlich herausfand, wie man die zweite Schublade in der Kommode öffnete – ein Stück geschnitzten Ornaments an der Zierleiste der Kommode war zu drehen. Doch im selben Moment ertönte ein Pfeifton, und ein etwa 20 Zentimeter langer wunderschöner, schlanker, selbst gebastelter Pfeil senkte sich mit einem sonoren »Twoing« keine fünf Zentimeter

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