Mein auf ewig
verschwunden ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sie zu spät findet.“
Oder gar nicht.
Das auszusprechen brachte Elise nicht fertig, aber sie wusste, dass diese Möglichkeit durchaus bestand. Und Trent wusste es ebenfalls. Nur dass sie diese Möglichkeit einfach noch nicht akzeptieren konnte. Nicht, wenn sie bei Verstand bleiben wollte.
„Es gibt andere Dinge, die Sie tun können“, sagte Trent. „Dinge, mit denen Sie sich nicht in Gefahr bringen.“
„Als da wären?“ Elise hatte ihre Flasche geleert und warf sie in den Abfalleimer. Sie hätte gern noch mehr getrunken, aber das waren die beiden letzten Flaschen gewesen.
Trent musste es ihr angesehen haben. Er bot ihr seine halb volle Flasche an, und Elises Hals brannte dermaßen, dass sie sein Angebot nur zu gern annahm. Sie hatte das Gefühl, der Plastikhals schmecke ein wenig nach ihm, aber das musste sie sich wohl einbilden.
„Reden Sie mit der Presse. Sorgen Sie dafür, dass Ashleys Name und Foto veröffentlicht wird.“
„Das habe ich bereits getan. Ich habe sämtliche Fernsehsender in Chicago kontaktiert und heute auch schon ein Interview gegeben – vor den 12-Uhr-Nachrichten. Das haben Sie vermutlich nicht gesehen.“
Trent schüttelte den Kopf. „Ich habe auf der Baustelle gegessen. Da gibt’s keinen Fernseher.“
Gut. Sie hatte während des Interviews geweint, obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, es nicht zu tun. Sie wollte nicht, dass Trent sie für einen hoffnungslosen Fall hielt. Auch dann nicht, wenn es stimmte.
Er schien zu wissen, wovon er redete, und sie brauchte so viele Verbündete, wie sie nur kriegen konnte. Sie wollte ihn nicht mit ihrer Heulerei verschrecken. Es war schon schlimm genug, dass er mitbekommen hatte, wie sie sich übergab.
„Alles, was sicher ist, habe ich bereits getan“, sagte sie. „Jetzt muss ich den nächsten Schritt machen.“
Ungläubig starrte er sie an. „Und große Risiken eingehen? Das ist dumm.“
„Nicht dumm. Verzweifelt.“
Angewidert verzog er den Mund. „Beides könnte Sie das Leben kosten.“
Elise ignorierte seinen barschen Ton, schließlich wusste sie, dass er sie bloß zu beschützen versuchte.
Sie holte tief Luft. Sie konnte nur hoffen, dass es kein Fehler war, ihn in ihre Pläne einzuweihen. „Ich habe einen Plan, den ich für ausreichend sicher halte. Wollen Sie ihn hören?“
Er verschränkte die muskulösen Arme vor seiner breiten Brust. „Warum nicht? Dann kann ich der Polizei wenigstens erzählen, wo Ihre Leiche zu finden ist.“
Elise hatte nicht vor, seinen Zynismus einer Antwort zu würdigen, also tat sie einfach so, als hätte er nichts gesagt. „Ich fahre ins Sally’s und rede mit Leuten, die sie vielleicht gesehen haben. Ich zeige ihr Foto herum und biete Geld für Informationen an. Wenn es im Sally’s wie in anderen Kneipen ist, gibt es eine Menge Stammgäste, und ein bunter Vogel wie Ashley ist denen bestimmt aufgefallen.“
„Sie müssen aufpassen, mit wem Sie reden. Da draußen gibt es ganz schön viele gefährliche Menschen.“
„Wie gefährlich kann das denn schon sein, wenn ich mich nach meiner Schwester umhöre?“
„Manche Leute legen mehr Wert auf den Schutz ihrer Privatsphäre als andere. Neugierige Journalisten mag niemand.“
Elise ließ diese kaum verhüllte Beleidigung an sich abprallen. „Die Geschichte meines Lebens. Daran bin ich gewöhnt. Und wie ich das Bedürfnis der Leute nach Schutz ihrer Privatsphäre überwinde, weiß ich ebenfalls.“
Trent schüttelte den Kopf. „Dann lassen Sie mich wenigstens mitkommen.“
„Nein. Ashley ist garantiert allein losgezogen, also muss ich das auch tun.“
„Was soll das heißen? Wollen Sie sich da draußen als Köder anbieten, in der Hoffnung, dass die Leute, die sich Ashley geschnappt haben, mit Ihnen das Gleiche machen?“
Der Gedanke war ihr durchaus schon gekommen, und das musste wohl auch auf ihrem Gesicht geschrieben stehen.
„Verdammt!“, fluchte Trent. „Wieso glauben Sie eigentlich, dass Sie nicht genauso verschwinden wie Ihre Schwester? Wie wollen Sie ihr helfen, wenn Sie ebenfalls … vermisst sind?“
Das Wort „tot“ hatte er sich gerade noch verkneifen können. Dummerweise wusste Elise trotzdem, was er hatte sagen wollen.
„Sie glauben, Ashley ist tot?“, presste sie mühsam heraus.
Sein Gesichtsausdruck wurde ein wenig weicher, und das machte ihn schier überirdisch attraktiv. Mit leiser, tiefer Stimme – so, wie man auf Beerdigungen
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