Mein Auge ruht auf dir - Thriller
langjährigen Kunden des Parkhauses, in dem Mr. Gruber beschäftigt gewesen ist. Mr. Morley hält sich in diesem Monat in Europa auf. Der elektronische Mautpass wird für diesen Abend eine Abbuchung aufweisen. Wenn Sie das dazugehörige Konto überprüfen, werden Sie die Behauptung meines Mandanten bestätigt finden, dass er an diesem Tag von New Jersey kommend die George-Washington-Brücke in Richtung New York überquert hat, und zwar etwa fünfundvierzig Minuten, nachdem Jonathan Lyons erschossen worden ist.«
Peter Jones wählte seine Worte mit Bedacht, um möglichst ruhig und gefasst zu klingen. »Mr. Schultz, Sie verstehen, dass wir die Glaubwürdigkeit Ihres Mandanten im besten Fall als zweifelhaft bezeichnen können. Aufgrund dessen, was Sie mir erzählen, erachte ich es allerdings als meine moralische Pflicht, ihn zu befragen. Mal sehen, was dabei herauskommt. Mr. Gruber mag zur Mordzeit hier gewesen sein, aber woher soll ich wissen, dass er sich nicht einfach ein Gesicht ausdenkt und behauptet, die dazugehörige Person sei aus dem Haus der Lyons’ gelaufen?«
»Mr. Jones, das ist ein faszinierender Fall, den ich schon verfolgt habe, bevor Mr. Gruber mich engagiert hat. Falls Mrs. Lyons mit dem Mord nichts zu tun hat, deutet einiges darauf hin, dass der Schuss von jemandem abgegeben wurde, der dem Opfer nahegestanden hat. Nach allem, was ich darüber gelesen habe, gibt es in diesem Fall keinerlei Spuren eines gewaltsamen Eindringens. Ich gehe davon aus, dass das Gesicht des Täters von der Familie oder von Freunden des Mordopfers erkannt wird, falls ein hochwertiges Phantombild vorliegt.«
»Wie gesagt«, blaffte Peter Jones, »fühle ich mich moralisch verpflichtet, dieser Sache nachzugehen. Aber ich werde sicherlich nichts im Voraus versprechen. Ich möchte mit Mr. Gruber reden, und ich möchte diese Autokennzeichen sehen. Wir werden die auf dem Konto von Mr. Morley vorgenommene Abbuchung der Maut gebühr überprüfen. Und sollten wir nach alldem zu dem Schluss kommen, dass wir uns von Ihrem Mandanten ein Phantombild anfertigen lassen wollen, dann werden wir ja sehen, was sich dabei ergibt. Sie haben jedenfalls mein Wort, dass jede sinnvolle Kooperation bei den Richtern auf Wohlwollen stoßen und sich auf das Strafmaß auswirken wird. Aber ich weigere mich, zu diesem Zeitpunkt konkreter zu werden.«
»Ich glaube kaum, dass Mr. Gruber von einem so vagen Angebot besonders angetan sein wird«, erwiderte Schultz frostig. »Vielleicht sollte ich diese Informationen Kathleen Lyons’ Anwalt zugänglich machen, Mr. Scott. Ironischerweise ist er nämlich das Opfer des besagten Einbruchs, und ich nehme an, er wird Mrs. Lyons dazu raten, sich einen neuen Anwalt zu nehmen. Ich habe aber auch gelesen, die Familien seien eng befreundet, weshalb ich mir sicher bin, dass sämtliche Informationen, die die unschuldige Frau entlasten, höchst willkommen geheißen werden. Ebenso wenig zweifle ich daran, dass Mr. Scott es sich entgehen lassen wird, die Richter auf die Kooperation meines Mandanten aufmerksam zu machen.«
Peter Jones spürte, dass Schultz kurz davor war, aufzulegen. »Mr. Schultz«, sagte er hastig, »Sie und ich sind erfahrene Anwälte. Ich kenne Mr. Gruber nicht, gehe aber davon aus, dass er auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Es wäre in höchstem Maße unverantwortlich, wenn ich zu diesem Zeitpunkt konkrete Versprechungen mache, das wissen Sie so gut wie ich. Falls sich seine Informationen als bedeutsam herausstellen, ver sichere ich Ihnen, wird seine Kooperation von den Richtern positiv vermerkt werden.«
»Das wird nicht reichen, Sir«, erwiderte Schultz. »Ich schlage Folgendes vor: Ich werde noch zwei Tage warten, bevor ich Kontakt zu Mr. Scott aufnehme. In der Zwischenzeit können Sie über mein Angebot nachdenken. Am Freitagnachmittag melde ich mich wieder. Einen schönen Tag noch.«
39
A m Mittwochmorgen um sechs Uhr klingelte eines von Lillians Prepaid-Handys. Sie wusste, wer dran war, also griff sie nach dem Gerät auf dem Nachttisch. Obwohl sie bereits wach war, ärgerte sie sich über die frühmorgendliche Störung. Ihr knappes »Hallo« klang gereizt.
»Lillian, hast du letzte Nacht mit Richard telefoniert?«, fragte der Anrufer mit kalter, drohender Stimme.
Kurz überlegte Lillian, ob sie lügen sollte. Nein, das war es nicht wert. »Er weiß, dass ich das Pergament habe«, antwortete sie. »Jonathan hat ihm erzählt, dass er es mir gegeben hat. Wenn ich es ihm nicht verkaufe,
Weitere Kostenlose Bücher