Mein Auge ruht auf dir - Thriller
das?«
Kathleen klammerte sich ans Kissen und zerrte am Bezug.
Die Schwester versuchte ihr zu verstehen zu geben, dass sie damit aufhören sollte, aber das nahm Kathleen gar nicht wahr. Mit zitternden Finger riss sie den Bezug vom Kissen und wickelte ihn sich ums Gesicht.
»Kathleen, Sie haben Angst! Etwas macht Ihnen doch Angst!«
»Ich kann sein Gesicht nicht sehen«, kreischte Kathleen. »Wenn er meines nicht sieht, erschießt er mich vielleicht nicht.«
41
A m Mittwochmorgen um Viertel vor neun kam Lloyd Scott zu Mariah. Er hatte um halb neun in der Hoffnung angerufen, dass sie schon wach wäre. »Lloyd, ich bin bereits bei meiner zweiten Tasse Kaffee«, hatte sie ihm geantwortet. »Kommen Sie rüber, ich wollte Sie sowieso anrufen. Es gibt einige Dinge, die Sie wissen sollten.«
Er fand sie im Frühstückszimmer vor, auf dem Tisch lagen ordentlich sortiert zahlreiche Dokumente. »Ich habe Betty gesagt, sie soll sich den Tag freinehmen«, erklärte sie. »Sie ist gestern Abend länger geblieben, weil ich Gäste zum Essen da hatte. Seit Dads Tod wohnt sie ja praktisch hier. Aber allmählich sollten wir wieder zur Normalität zurückkehren.«
»Da haben Sie recht«, stimmte Lloyd zu. »Mariah, Sie wissen, dass ich einige Nachforschungen über Rory Steiger in Auftrag gegeben habe. Jetzt habe ich den Bericht vorliegen. Ihr richtiger Name, stellte sich heraus, lautet Victoria Parker, außerdem ist sie vorbestraft. Sie hat in Boston eine siebenjährige Haftstrafe verbüßt, weil sie von einer älteren Frau, bei der sie als Krankenpflegerin angestellt war, Geld und Schmuck gestohlen hat.«
»Ich weiß. Gestern Abend waren die beiden Detectives da und haben mir von ihrer Vorstrafe erzählt. Und davon, dass sie verschwunden ist«, sagte Mariah. »Sie wollten wissen, ob ich irgendetwas von ihr gehört habe. Aber da musste ich passen.«
Lloyd Scott war einiges gewohnt und ließ sich sonst kaum etwas anmerken, selbst wenn wichtige Zeugen im Kreuzverhör unerwartete Aussagen präsentierten. Jetzt aber riss er überrascht die Augen auf, und unwillkürlich strich er sich die wenigen noch verbliebenen Haarsträhnen zurück. »Sie ist verschwunden? Einen Moment. Ich bin gleich wieder da.«
Mit der Vertrautheit des alten Familienfreundes eilte er in die Küche, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, kehrte ins Frühstückszimmer zurück und setzte sich. Mariah erklärte in aller gebotenen Kürze, dass Rory nicht zu einer Verabredung mit einer Freundin erschienen war und sich auch nicht mehr auf ihrem Handy meldete. Als die Polizei daraufhin mit dem Hausmeister ihre Wohnung durchsuchte, gab es allerdings nichts Auffälliges zu entdecken.
»Lloyd«, sagte sie, »die Frage lautet: Ist Rory von sich aus verschwunden, oder ist ihr etwas zugestoßen?« Dann fügte sie noch hinzu: »Komisch, zu Rory hatte ich nie so eine herzliche Beziehung wie zu Delia, aber Rory scheint sich um Mom immer gut gekümmert zu haben. Und Mom hat auf sie gehört. Delia muss Mom ständig anbetteln, wenn sie duschen oder ihre Medikamente nehmen soll. Bei Rory hat es nie Widerrede gegeben.«
»Rory hat ihre Auftraggeberin in Boston bestohlen«, sagte Lloyd. »Ist es denkbar, dass sie auch hier im Haus etwas hat mitgehen lassen und jetzt Angst hat, dafür belangt zu werden?«
»Dad hätte es bemerkt, wenn Geld aus seiner Brieftasche verschwunden wäre. Betty hat zum Einkaufen eine Kreditkarte. Und Moms Schmuck ist in einem Schließfach. Dad hat Mom einmal dabei erwischt, wie sie ihn wegwerfen wollte, daraufhin hat er ihn ihr weggenommen.« Mariah klang zunehmend angespannt. »Mir ist noch eingefallen, dass Rory Dad in seinem Arbeitszimmer gehört haben muss, wenn er am Telefon über das Pergament gesprochen hat. Gestern beim Abendessen haben Richard, Greg, Albert und Charles zugegeben, dass Dad sie angerufen und ihnen vom Pergament erzählt hat. Mom hat immer gern bei Dad im Arbeitszimmer gesessen, Rory war dann nie weit. Es könnte also sein, dass sich Rory nach Dads Tod das Pergament geschnappt und einen Käufer dafür gesucht hat. Das wäre ein ausreichender Grund, um zu verschwinden.«
»Sie meinen wirklich, das hätte so ablaufen können?«, fragte Lloyd skeptisch.
»Wir wissen, dass sie stiehlt.« Mariah wandte den Kopf und sah zum Fenster, das hinten zum Garten hin ausging. Unvermittelt wechselte sie das Thema. »Das Springkraut, es wächst so schön. In ein paar Wochen ist es damit vorbei. Ich sehe noch Dad vor mir, wie er es im Juni
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