Mein Auge ruht auf dir - Thriller
war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, Verursacher war ein betrunkener Fahrer gewesen, der auf dem Long Island Expressway in der falschen Richtung unterwegs gewesen war. Ihre Freundin Joan hatte still am Sarg gesessen, und als Mariah sie angesprochen hatte, hatte sie nur gesagt: »Es tut so weh. Es tut so weh.«
Genauso habe ich mich gefühlt, als ich von Dad und Lillian erfahren habe, dachte Mariah. Genauso fühle ich mich jetzt mit Richard. Es tut so schrecklich weh.
Stimmt es, was Greg gesagt hat? Gehört Charles Michaelson wirklich zu denen, die am Kauf des Pergaments interessiert sind? Vorstellbar wäre es. Er war vor Jahren in irgendeine zwielichtige Sache verstrickt, über die sich Dad ziemlich aufgeregt hat. Und Charles hat Lillian gedeckt, wenn sie bei uns zu Besuch waren …
Sie konnte wieder seine Worte hören: »Lillian und ich waren im neuen Woody-Allen-Film. Den müsst ihr euch unbedingt ansehen.« Oder: »Im Metropolitan Museum läuft gerade eine tolle Ausstellung. Lillian und ich …«
Charles würde ich alles zutrauen, dachte Mariah. Ich habe mitbekommen, wie er hochging, als Albert ihm bei einer Sache einmal widersprochen hat. Bei Dad oder Greg wagte er es wahrscheinlich nicht, sich so aufzuführen. Oder bei Richard.
Mühsam stand sie auf, dann fiel ihr ein, dass sie ihr Handy immer noch nicht angeschaltet hatte. Sie zog es aus der Handtasche und sah, dass seit dem vergangenen Abend sieben neue Nachrichten eingetroffen waren. Alvirah hatte am Morgen dreimal versucht, sie zu erreichen, zum letzten Mal erst vor zwanzig Minuten. Zwei der übrigen vier Anrufe stammten von Greg. Und Richard hatte es am Abend zuvor und am Morgen noch einmal probiert.
Ohne sich die Nachrichten überhaupt anzuhören, wählte sie Alvirahs Nummer. Alvirah erzählte ihr von ihrem Besuch in Lillians Wohnung mithilfe der Putzfrau sowie von ihren Erkundigungen bei Bergdorf. »Ich habe in der Columbia University angerufen, der Dekan von Lillians Fakultät wird bei der New Yorker Polizei eine Vermisstenmeldung aufgeben«, sagte Alvi rah. »Sie machen sich schreckliche Sorgen. Die Polizei in New Jersey weiß bereits, dass sie immer noch nicht zu Hause ist. Mariah, ich sitze hier mit einer Tasse Tee und versuche dahinterzukommen, was vor sich geht. Im Moment können wir wohl nicht sehr viel mehr tun.«
»Das sehe ich ebenso«, antwortete Mariah. »Aber hören Sie, was Greg herausgefunden hat. Er hat eigene Ermittlungen angestellt und von einem Freund, einem bekannten Sammler, in Erfahrung gebracht, dass Charles Michaelson das Pergament auf dem Schwarzmarkt anbietet.«
»Na, darauf lässt sich doch aufbauen«, sagte Alvirah zufrieden. »Haben Sie heute schon was vor, Mariah?«
»Ich war kurz im Büro und bin jetzt bei mir zu Hause. Ich wollte noch nach New Jersey zurück.«
»Haben Sie Lust, irgendwo essen zu gehen?«
»Danke, eher nicht. Ich fahre lieber nach Hause. Lloyd wird heute Nachmittag das psychiatrische Gutachten über Mom erhalten.«
»Dann melde ich mich später noch mal. Alles Gute, Mariah.«
Als Mariah später in ihren Wagen stieg, rief sie noch einmal bei Alvirah an. »Ich habe gerade von Lloyd Scott erfahren, dass es angeblich einen Zeugen gibt, der jemanden aus dem Haus laufen sah, kurz nachdem Dad erschossen wurde. Der Zeuge, stellen Sie sich vor, ist bei den Scotts eingebrochen, dabei hat er angeblich einen Schuss gehört und ist daraufhin zum Fenster geeilt. Er behauptet, das Gesicht der betreffenden Person deutlich gesehen zu haben, sodass aus seiner Beschreibung ein Phantombild angefertigt werden könnte. Ach, Alvirah, beten Sie, dass alles gut wird.«
Eine Stunde nach diesem Gespräch saß Alvirah immer noch auf ihrem Stuhl am Esstisch und starrte hinaus auf den Central Park, bis Willy ihren Grübeleien ein Ende bereitete. »Meine Liebe, was geht dir bloß durch deinen hübschen Kopf?«
»Das weiß ich auch nicht so recht«, sagte Alvirah. »Aber ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich Professor Albert West einen Besuch abstatte.«
63
R ichard Callahan wurde an der Rezeption der Staatsanwaltschaft von den Detectives Simon Benet und Rita Rodriguez bereits erwartet. Nach einer knappen Begrüßung begleiteten sie ihn in einen Befragungsraum am Ende des Gangs. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, erklärte ihm Benet, dass sie es aufgrund gewisser Entwicklungen seit seiner ersten Befragung für angemessen hielten, ihn über seine Rechte aufzuklären.
»Sie haben das Recht, die Aussage zu
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