Mein bestes Stuck
Lage war, dieses Gemälde einfach zu verhökern – den ganzen Stolz ihrer Mutter -, dann würde sie vor den Ringen erst recht nicht haltmachen! Vielleicht hatte sie sie sogar schon veräußert …
Julia hasste sich selbst, weil sie in so einem Moment an ihren eigenen Verlust dachte, anstatt ihrem neuen Bekannten
beizustehen, doch ihre pragmatische, schottische Seite sprach eine andere Sprache: Sie machte sich ernsthaft Sorgen, wie sie ihre Trauringe wiederbekommen sollte. Sollte sie nicht ohnehin längst zurück in Frean Hall sein, ein Glas Champagner in der Hand halten und auf einer der zahlreichen Gartenpartys, die für diese Woche angesetzt waren, munter mit den Gästen plaudern über … Oh, was war das gleich für ein kleines unbedeutendes Ereignis, das sie fast vergessen hatte? Richtig, ihre Hochzeit. Diesen Samstag. Und Eleonore Deschanel drohte, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Also wirklich! Julia blickte sich im Raum um und versuchte krampfhaft, einen kühlen Kopf zu bewahren und ihre aufsteigende Wut zu unterdrücken. Jetzt auszuflippen wäre wohl alles andere als hilfreich.
»Sie wird ein Vermögen erben!«, rief Luc nun aus. »Warum tut sie das jetzt?«
Julia war nicht sicher, ob Luc mit ihr, den Armani-Männern oder zu sich selbst sprach. Also seufzte sie und legte ihm erneut die Hand auf den Unterarm. »Sie ist süchtig, Luc. Man kann das Verhalten von Suchtkranken nicht erklären!«
Luc blickte sie schockiert an.
Es war, als sei ein Vorhang zwischen sie gefallen. Die Stille, die sich mit einem Mal in der Galerie ausgebreitet hatte, war erdrückend. Julia meinte, sie fast körperlich spüren zu können.
»Woher weißt du das?« Seine Stimme war nun eiskalt.
»Ich … ich weiß es eigentlich nicht …«, stotterte Julia und ruderte hilflos mit den Armen.
»Komm schon, Julia!« Luc stand nun ganz nah vor ihr.
»Na ja, da waren ein paar Hinweise in ihrem Tagebuch …«
»Du hast im Tagebuch meiner Schwester gelesen?«, brach es nun aus ihm heraus. »Sollte so etwas nicht privat sein?«
»Luc, so war das nicht …«
Doch er starrte sie nur kalt an. Weder konnte sie ihm in die Augen sehen noch gelang es ihr, sich zu verteidigen und ihm zu sagen, dass nicht sie, sondern ihr Onkel das Buch geöffnet hatte. Und überhaupt, welchen Unterschied hätte das schon gemacht? Fremde hatten das Notizbuch seiner Schwester gelesen. Wer genau der Eindringling war, war in diesem Fall egal.
»Merkwürdig«, sagte Luc schließlich. Mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen schaute er zur Decke. »So hätte ich dich gar nicht eingeschätzt!«
So bin ich auch nicht! Julia streckte die Hand aus, um ihn an der Schulter zu packen und ihm diese Worte ins Gesicht zu schleudern. Doch das würde bedeuten, Onkel Quinn zu verraten. Und Onkel Quinn hatte ihren Verrat nicht verdient. Ohnehin hatte es heute schon genug Familienverrat gegeben.
»Luc«, stammelte sie, »es tut mir so leid. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie du dich jetzt fühlst, aber …«
»Vergiss es«, gab er barsch zurück. »Vergiss es einfach.«
Damit drehte er sich um und stürmte aus der Tür.
Kapitel 7
J ulia wusste nicht, was sie tun sollte. Sie stand starr mitten in der Galerie wie die kleine bronzene Degas-Ballerina auf ihrem steinernen Sockel. Der Gedanke an Lucs Zorn trieb ihr die Schamesröte in die Wangen.
Erst nach einigen Minuten hatte Julia sich wieder einigermaßen gefangen. Luc war nicht zurückgekehrt. Sie würde ihm nachlaufen müssen, anderenfalls säße sie allein in Nizza fest – ohne Geld und ohne Telefon.
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« Der größere und blondere der beiden Armani-Männer kam auf sie zu und sah sie aufmunternd an.
Julia, die ihre Fassung nun weitgehend wiedererlangt hatte, lächelte ihn matt an. »Vielen Dank, aber ich wollte gerade gehen.« Sie drehte sich um und marschierte so selbstbewusst wie möglich zum Ausgang, wandte sich jedoch noch ein letztes Mal um, als sie die Tür erreicht hatte. »Ach, würden Sie mir den Preis für dieses Gemälde dort verraten?«
»Dieses hier?« Er zeigte auf die blässliche Familie im Schaufester, deren Mitglieder so aussahen, wie Julia sich gerade fühlte. »Es kostet zwei Millionen Euro.«
»Tatsächlich? Zwei Millionen, sagten Sie? Nicht zweiundzwanzig? Ganz reizend! Ich denke darüber nach! Ganz herzlichen Dank!«
Und damit war sie auch schon verschwunden.
Sie hatte vorhin gesehen, dass Luc nach rechts gelaufen war, also
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