Mein bestes Stuck
sie Odettes Salon betraten. »Was für ein wunderschönes …«
»NEIN!«
Luc hatte aufgeschrien, als sei er angeschossen worden. Julia erschrak zutiefst und lief sogleich zu ihm.
»Was ist passiert?«
Luc zeigte in Richtung Kamin. »Einbrecher!«
»Wie bitte?«
»Da! Da oben!«
»Luc …«
»Der Matisse meiner Mutter! Ihr ganzer Stolz! Er ist weg!«
Julia schaute auf die leere Wand über dem Kamin. Tatsächlich war da ein heller, rechteckiger Fleck auf der edlen Chinoiserie-Tapete zu erkennen.
Luc war vollkommen außer sich. »Wir müssen die Polizei rufen. Wer weiß, wann das passiert ist! Seit Wochen war niemand hier!«
»Eleonore war hier«, sagte Julia ruhig.
Er warf ihr einen fragenden Blick zu, sagte jedoch nichts. Stattdessen lief er unruhig in der Wohnung umher, auf der Suche nach Spuren oder Hinweisen auf weitere gestohlene Gegenstände. Seine Hände glitten über die teuren Lampen und das Porzellan, als wollte er sichergehen, dass diese Dinge nicht nur in seiner Erinnerung existierten. Hilflos beobachtete Julia ihn von der anderen Ecke des Raumes aus. Ihr brannte eine Frage unter den Nägeln, die sie nicht länger zurückhalten konnte.
»Könnte Eleonore es mitgenommen haben?«
Luc blieb wie angewurzelt stehen, mit dem Rücken zu ihr und der gebräunten Hand auf einer antiken Schatulle. Doch er schwieg auch weiterhin.
Julia begriff sogleich, dass sie entweder in ein massives Fettnäpfchen getreten war oder aber einen sehr empfindlichen Nerv getroffen hatte. Vermutlich beides.
Ohne ein Wort wandte sich Luc zum Gehen. Julia folgte ihm betreten, und als er ihr die Wohnungstür aufhielt, versuchte sie, seinen Blick zu deuten. Doch seine Miene war wie versteinert.
Unten angekommen ging Luc direkt auf Stephane zu,
der draußen auf der oberen Treppenstufe stand und eine Zigarette rauchte.
»Entschuldigen Sie«, setzte Luc an, seine Stimme klang nun angespannt. »Hatte meine Schwester irgendetwas dabei, als sie das Appartement vorhin verlassen hat?«
Stephane nickte sofort energisch. »Oh ja, ein ziemlich großes, rechteckiges Paket. Etwa so hoch.«
Er streckte seine Arme in beide Richtungen aus. Man musste kein Genie sein, um zu begreifen, dass die von Stefan angezeigten Maße relativ genau mit denen des vermissten Matisse übereinstimmten.
Schweigend eilten sie zurück zum Motorroller. Es war nur schwer vorstellbar, dass sie vor nicht mal einer halben Stunde so entspannt plaudernd hier entlanggeschlendert waren.
In der Rue Saint-Jeoire Nummer siebenundzwanzig war, ganz wie Julia befürchtet hatte, eine Kunstgalerie. Und eine reichlich noble noch dazu. Das einzige Gemälde im Schaufenster zeigte eine fahl aussehende Renaissance-Familie, zusammen mit Kind und Kegel und Schoßhündchen, wie sie in Seide und Spitze gekleidet missmutig in die Welt hinausblickten. »Preis auf Anfrage« war auf dem kleinen Schildchen am Rahmen zu lesen. Mehr musste man wohl nicht sagen.
Im Inneren der mit edelster Auslegeware und elegantester Beleuchtung ausgestatteten Galerie hielt Julia den Atem an. Vor ihr stand ein echter Renoir! Sie hatte bislang nur ein Original im Louvre gesehen, und nun stand hier direkt einer vor ihr – zum Verkauf angeboten! War das erlaubt?
Der Renoir hatte sie derart in seinen Bann gezogen, dass sie kaum bemerkte, wie Luc schnurstracks auf die zwei umwerfend attraktiven jungen Männer in Armani-Anzügen zuging, die in der hinteren Ecke des Raumes mit einem Paket und einer Stufenleiter hantierten. Als sie ihm mit ihrem Blick folgte, sah sie, wie er ganz plötzlich wie angewurzelt stehen blieb und ein hübsches, blau-gelbes Gemälde anstarrte, das zu Füßen des Galeriemitarbeiters an die Wand gelehnt stand.
Kein Zweifel – das war Odette Deschanels Matisse. Eleonore hatte es verkauft und war nun zum zweiten – oder schon dritten? – Mal verschwunden.
Lautlos durchquerte sie die Galerie, bis sie an Lucs Seite stand. Sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte.
»Oh Eleonore, Eleonore«, flüsterte Luc. »Was hast du nur getan?«
»Es tut mir so leid!«, sagte Julia und berührte ihn ganz leicht am Arm.
Doch nicht nur das Gemälde aus Familienbesitz und Lucs unfassbarer Kummer machten Julia in diesem Moment Sorgen. Selbstverständlich hätte sie bei ihrem allerersten verstorbenen Pony geschworen, dass sie die einfühlsamste Frau der Welt war und dass natürlich all ihre Gedanken in diesem Moment Luc galten, doch die Wirklichkeit sah anders aus.
Wenn Eleonore in der
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