Mein bestes Stuck
Beifahrersitz sprach Englisch mit amerikanischem Akzent. »Der Junge sieht doch ganz süß aus!«
Der Fahrer zögerte. »Wenn ich das mache, bekomme ich Ärger!«
Eine weitere Frau beugte sich aus der nächsten Reihe hervor. »Komm schon, Schätzchen, wir könnten etwas Frischfleisch hier drin wirklich gebrauchen – bei der langen Fahrt!«
Die Üppige auf dem Beifahrersitz drehte sich zu ihr um. »Ach, Marion, du willst doch nur jemanden, der deine ganzen Witzchen noch nicht kennt!«
»Das ist doch gar nicht möglich – oder haben wir etwa
den Planeten Erde verlassen?«, rief eine Stimme aus dem Hintergrund, und der ganze Bus brach in schallendes Gelächter aus.
Der Fahrer seufzte. Die Ladys hatten ganz offensichtlich sehr viel Spaß und strapazierten damit sein Nervenkostüm zunehmend. Doch schließlich machte er eine eindeutige Geste mit dem Kopf und signalisierte ihnen, dass sie einsteigen könnten.
»Vielen Dank!«, sagte Luc erleichtert und trat zur Seite, damit Julia als Erste den Bus erklimmen konnte. Dann hievte er sich selbst unter Schmerzen hinein. Eine der Damen schob einen Berg Handtaschen von zwei Sitzen in der Mitte, so dass sie sich setzen konnten.
Luc dankte ihnen mit einem Kofnicken. »Haben Sie vielen Dank, meine Damen! Sie sind wirklich sehr liebenswürdig«, sagte er auf Englisch.
Als Julia das anerkennende Gemurmel der Damen vernahm, musste sie lächeln. Der Fahrer steuerte den Wagen kopfschüttelnd auf die Straße zurück und setzte die Fahrt nun mit zwei weiteren Passagieren in Richtung Monte Carlo fort.
Kapitel 10
D ie zehn Damen im Bus waren im Durchschnitt um die fünfundsiebzig Jahre alt und trugen ausnahmslos knallbunte Jogginganzüge, Turnschuhe und Sonnenhüte aus leichter Baumwolle. Die meisten von ihnen hatten ihre Haare zu schweren Zöpfen geflochten, und farbenfroher Lippenstift rundete ihr Erscheinungsbild ab. Julia musste an die konservative, zurückhaltende Kleidung denken, die sie von den älteren Schottinnen her kannte; warme Pullover oder Strickjacken in gedeckten Farben, Blusen und Röcke, Strumpfhosen und Perlenketten, feine Lederschuhe. Wiederum ganz anders sah es bei den Pariser Damen aus. Die meisten von ihnen waren dünn wie Stricknadeln, trugen das silberne Haar zu strengen Knoten gebunden und gingen nie ohne ihre perfekt geschnittenen Kostüme, ihre kleinen Hunde und ihre Designerschuhe aus dem Haus. Auch wenn es Julia durchaus bewusst war, dass sie nach Klischees urteilte, aber diese fröhliche Gruppe von Urlauberinnen konnte einfach nur aus den Vereinigten Staaten kommen.
»Keine Angst«, sagte Marion und lächelte sie freundlich an. »Wir sehen vielleicht gefährlich aus, aber in Wahrheit sind wir die reinsten Kätzchen. Stimmt doch, Mädels, oder?«
Die Antwort kam in Form von lautem Schnurren und
Fauchen. Eine runde Dame, die in derselben Reihe über dem Gang neben Luc saß, markierte mit der Hand eine Kralle und kratzte ihm damit spielerisch über den Unterarm.
»Aus welchem Teil von Amerika kommen Sie?«, fragte Julia.
»Aus dem besten Teil!«, erklang es aus den hinteren Reihen. »Boise, Idaho. Kennen Sie die Ecke?«
»Spätestens, wenn sie aus dem Bus steigt, wird sie sie kennen!«, erschallte laut eine Stimme.
»Leider kenne ich Idaho nicht«, meinte Julia. »Allerdings war ich schon ein paar Mal in New York. Wunderbare Stadt! So aufregend.«
»Sie haben gar nichts gesehen, bis Sie in Boise waren. Hey, sollen wir die zwei Hübschen nicht in unseren Koffern mit zurückschmuggeln? Was meint ihr, Mädels? Sie ist doch nur so ein dünnes Ding, sie passt locker ins Handgepäck.«
Die Dame auf dem Vordersitz drehte sich um und streckte ihre Hand aus. »Ich bin Hettie«, erklärte sie, »willkommen an Bord.«
Luc nahm ihre Hand und antwortete auf Englisch. »Luc Deschanel, sehr erfreut, Madame.« Er wies auf Julia. »Dies ist meine … meine …«
Julia schluckte.
»Das ist Julia Douglas.«
Zerknirscht schüttelte sie Hetties Hand. Ganz offenbar war ihr Waffenstillstand vorüber, und Luc verhielt sich nun wieder kühl und distanziert. Hettie musterte sie nacheinander eindringlich und versuchte offenbar herauszufinden, in welchem Verhältnis sie zueinander standen. Es würde nicht
lange dauern, bis sie bemerkte, dass ihr Verhältnis, wenn man es denn überhaupt so nennen konnte, alles andere als gut war. Julia bemerkte, wie Hettie einen Blick auf den Ring an ihrem Finger warf.
»Seid ihr zwei verlobt?«
»Nein!«, riefen sie beide im Chor
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