Mein bestes Stuck
Lorenzo? Er war seit einer Ewigkeit weg. Er konnte unmöglich noch bei Eleonore sein … Claudes Worte waren ihr wie Messerstiche ins Herz gedrungen. Dass er Lorenzo wirklich unterstellte, Eleonore zurückgewinnen zu wollen, bloß weil sie ein Vermögen geerbt hatte! Dabei sollte er doch sie heiraten, und das schon dieses Wochenende!
Julia tauchte unter und griff dann nach dem Shampoo. Sie würde es nicht zulassen, dass diese Leute hier ihren Verlobten schlechtmachten. Ihre Haare waren noch nie so brutal behandelt worden. Sie schrubbte und rubbelte ihren Kopf, als könne sie so all das Durcheinander darin beseitigen.
Oh Lorenzo, wenn du nur wüsstest, was diese Menschen über dich sagen!
Sie schlug mit der flachen Hand ins Wasser und wusste plötzlich ganz genau, was sie zu tun hatte. Sie würde Lorenzo finden, ihm so sanft wie möglich klarmachen, dass es wohl das Beste sei, wenn sie alle so schnell und so unauffällig wie möglich abreisten und diese arme Familie ihrer Trauer überließen. Sie wollte seine Umarmung spüren, sich daran erinnern, wie es sich anfühlte, ihm nah zu sein, sich den Zauber ins Gedächtnis rufen, der dazu geführt hatte, dass sie zugestimmt hatte, seine Frau zu werden. In guten wie in schlechten Zeiten …
Genauso war es. Erleichterung überkam sie. Sie schnellte geradezu aus der Wanne und trocknete sich ab.
Lorenzo Landini, ich bin unterwegs und werde dich finden. Und du solltest dich auf etwas gefasst machen … Ich werde großartig aussehen, wir werden reden, alles aus der Welt räumen, und dann nehme ich dich mit nach Hause.
Kapitel 23
S ie war nicht sicher, ob sie die Kapelle betreten sollte. Doch die Tür war nur angelehnt und bislang hatte Julias Suche auf dem Schlossgelände keinerlei Spur von Lorenzo ergeben. Geschweige denn von Eleonore.
Langsam ging sie auf die schwere Eichentür zu und stieß sie auf. Sie war noch nie in einer privaten Familienkapelle gewesen. Diese hier war relativ klein und nüchtern, aus demselben grauen Stein gemauert wie das Château, mit einem kleinen Glockenturm und drei Bogenfenstern auf jeder Seite versehen. Rechts von der Tür führte eine schmale Treppe hinunter zur Krypta, wo der Leichnam von Lucs Vater aufgebahrt war und darauf wartete, am Samstag zu Grabe getragen zu werden.
Im Inneren der kleinen Kapelle fiel sanftes Licht auf die vier Holzbänke, die in dem schmalen Raum aufgereiht waren. Ein einfaches Holzpult stand auf einem kleinen Sockel davor, und an der Wand dahinter war ein Fresko mit biblischen Szenen. Die rührende Schlichtheit überraschte Julia. Sie hatte mit schweren Wandbehängen, Ölgemälden und buntem Bleiglas gerechnet, doch nichts davon war zu sehen. Dieser Ort war perfekt für die innere Einkehr.
Sie hatte auch nicht erwartet, Luc Deschanel in der ersten
Reihe sitzen zu sehen, mit gebeugtem Kopf, tief in Gedanken versunken.
Einige Sekunden lang stand sie wie angewurzelt da und beobachtete nur seinen starken Rücken, starrte auf die fast geometrischen Muskeln, ließ den Blick über seine Schultern gleiten, über seinen gebräunten Nacken, seine ungekämmten Haare … und sie fragte sich, was er wohl gerade dachte. Armer Luc. Ob er seinem Vater wohl ähnlich sah? Julia hatte Bilder von Jaques Deschanel im Château gesehen, und so sehr sie es auch versucht hatte, sie hatte keinerlei Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern ausmachen können. Außer vielleicht das ausgeprägte Kinn und die Augenpartie. Hatten sich ihre Persönlichkeiten geglichen? Auch der Vater war ein attraktiver Mann gewesen, so viel stand fest, doch war das schon alles? Jaques Deschanel hatte seine Tochter nicht sehr fair behandelt, das hatte Julia im Verlauf der letzten Tage mitbekommen. Luc hingegen war … er war ehrenhaft.
In dem Moment ließ sich Luc nach vorn fallen und vergrub sein Gesicht in den Händen. Julia trat lautlos einen Schritt zurück. Sie sollte nicht hier sein. Am besten würde sie ebenso leise wieder hinausgehen, wie sie hereingekommen war. Doch sie blieb. Sie konnte den Blick einfach nicht von ihm abwenden. Bei dem Gedanken an seinen Schmerz zog sich ihr Herz zusammen. Wäre es wirklich falsch, zu ihm zu gehen, sich neben ihn zu setzen und ihm den Arm um die Schulten zu legen? Wer kümmerte sich schon um ihn? Gott allein wusste, wo Eleonore wieder war, und auch Marie-Louise war nirgendwo zu sehen gewesen. Um Himmels willen, jemand musste den armen Mann doch mal umarmen!
Julia vermochte kaum zu atmen. Der Drang, zu ihm zu
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