Mein bis in den Tod
sie als Nächstes sagte.
Als die Leitung wieder frei war, sagte er: »Ich habe dich nicht gehört.«
»Ich weiß nicht – ein paar hundert Meter, dann ist er umgekehrt. Ich habe ihn wegfahren sehen.«
»Wann war das?«
»Vor etwa zwei Stunden.«
Er versuchte sie zu beruhigen, aber nun machte er sich selbst Sorgen. »Vermutlich jemand, der den Hof gesucht und sich verfahren hat – so was passiert mitunter.« Tatsächlich war das erst einmal geschehen.
»Es könnte Ross gewesen sein.«
»Was für ein Auto fährt er?«
»Einen blauen Aston Martin.«
»Also war es nicht Ross. Wie auch immer, Ross hat keine Ahnung, dass du dort bist.«
»Bitte komm schnell zurück, ich habe große Angst.«
»Sind alle Türen und Fenster verschlossen?«
»Alle.«
»Mach dir keine Gedanken. Wenn du den Wagen noch mal siehst, ruf mich an. Ich bin zurück, so schnell ich kann.«
»Bitte beeil dich.«
»Ich geh sofort los und besteche den Lokführer.«
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103
H ugh Caven saß in seinem Büro mit Blick auf den Garten im Innenhof seines Hauses und starrte auf die Regentropfen im Planschbecken. Er hatte eben ein schwieriges Gespräch mit Barry Gatts Witwe hinter sich gebracht.
Der Coroner hatte Barrys Leichnam freigegeben, und Steph hatte die Beerdigung für den nächsten Dienstag angesetzt. Er wusste, sie war knapp bei Kasse, und hatte sie schließlich überredet, dass er die Kosten für Barrys Begräbnis übernahm. Er hatte gesagt, dass Barry bei der Arbeit gestorben sei, und dass es sein wirklicher Wunsch sei.
Dann war sie zusammengebrochen und hatte ihm von den Schulden erzählt, die Barry hinterlassen hatte, und dass sie nicht wisse, wie sie über die Runden komme solle. Caven hatte gesagt, er werde ihr helfen. Er log, dass es eine Lebensversicherung für seine Angestellten gebe und dass er nach Barrys Tod möglicherweise etwas aus der Police herausholen könne. In Wirklichkeit hatte er vor, ihr zu geben, was er selbst entbehren konnte. Das würde nicht viel sein – er hatte selbst genug Schulden –, aber es würde sein Gewissen beruhigen.
Und im Moment plagte ihn sein Gewissen besonders schlimm, so wie schon den ganzen Tag.
Ross Ransome war ein gefährlicher Mistkerl. Er bereute es, ihm heute Morgen die Kompasskoordinaten gegeben zu haben, die verrieten, wo sich Dr. Oliver Cabots Wagen befand. Wenn Ransome hinter dem Mord von Cabots Bruder – und Barry Gatt – steckte, wie konnte man da sicher sein, dass er nicht plante, die Sache zu Ende zu bringen?
Zu welchem Zweck hätte er die Koordinaten sonst haben wollen?
Um seine Frau wiederzubekommen?
Bestimmt.
Er wählte die Nummer von New Scotland Yard und bat, ihn mit der Sonderkommission zu verbinden, die sich mit dem Mord an Cabot und Gatt befasste.
Nach zweimaligem Klingeln verkündete ein Anrufbeantworter, alle Leitungen seien besetzt. Er hinterließ eine Nachricht, dass er sachdienliche Hinweise im Mordfall Barry Gatt habe, und bat um Rückruf.
Er sagte, es sei dringend.
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104
D u warst es tatsächlich, Miststück!
Ross sah sie jetzt klar und deutlich, durch sein Fernglas.
Du hast aus dem Fenster gesehen, als ich vorhin hier heraufgefahren bin. Du warst da, und dann warst du verschwunden. Ich war zu weit weg, um sicher zu sein.
Sie blickte aus dem Fenster, direkt in seine Richtung, aber sie konnte ihn nicht sehen, natürlich nicht, außerdem gab es kein Sonnenlicht, das sich im Fernglas brechen und ihn verraten könnte. Das hatte er auf der Pirsch in Schottland gelernt. Er war früher regelmäßig zur Jagd gegangen, zusammen mit einer Gruppe junger Ärzte, ein alljährlicher Jagdausflug unter Männern. Ein Forstbeamter in Bramore hatte ihm gezeigt, wie man sich leise im Unterholz bewegte. Und wie man unsichtbar blieb.
Die Pirsch hatte ihn auch Geduld gelehrt.
Im Schutz einer Gruppe von Farnen lag er in einer Vertiefung am Rand eines kleinen Fichtenwäldchens, nahe dem Feldweg und mit freiem Blick auf das Haus. Er trug eine lange grüne Barbour-Jacke, eine wasserdichte Hose, Gummistiefel und Regenhut, die er vor einer Stunde in Cirencester in einem Outdoor-Geschäft gekauft hatte. Das Blätterdach hielt den ärgsten Regen fern, auch wenn ihm ständig Wasser in den Nacken lief.
Vor seinem Gesicht krabbelte ein Käfer vorbei, auf und ab, über jede Welle im Waldboden. Mühselig steuerte er durch das tropfende Grün. Irgendwo über ihm zwitscherte ein Vogel. Die Gerüche von feuchter Erde und Kiefernzapfen brachten ihm die Tage der Jagd
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