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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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größte von allen, ein Schwarzweißfoto, war mit Weichzeichner aufgenommen worden. Eine Nahaufnahme, ein Brustbild, auf dem sie ihre schwarzen Löckchen zurückwarf. Mit eitler Miene lächelte sie jemandem zu.
    In den Schubläden und in zwei Alben hatte er noch mehr Fotos gefunden. Fotos von ihr allein oder zusammen mit Männern. Auf Booten, auf der Rennbahn, bei einem Autorennen, in Restaurants, in Nachtclubs.
    In der ganzen Wohnung gab es nur ein einziges Foto von ihm.
    Mit der Vorderseite nach unten lag es unten im Schubfach einer Kommode, inmitten eines Durcheinanders von Briefen und Dokumenten. Es war klein, fünf mal fünf Zentimeter, stark zerknittert und gewölbt an einer Ecke, vergilbt. Darauf saßen sie nebeneinander auf einem Kieselstrand. Er war ungefähr vier, trug eine Badehose, war spindeldürr, die Knie hochgezogen, das Haar zerzaust, und blinzelte in die Sonne. Sie saß neben ihm, aber sie hätte tausend Meilen entfernt sein können. Sie trug einen Bikini, eine dunkle Brille und posierte für die Kamera. Das war ein Foto von ihr, ihr allein. Den Jungen neben ihr … kannte sie ihn überhaupt?
    Würde sie sich überhaupt an ihn erinnern?
    Man kann Menschen nicht einfach vergessen. Nicht die Menschen, die dich lieben. Man kann sie nicht einfach wie Kleidungsstücke ablegen und verlassen. So einfach geht das nicht.
    Das verspreche ich dir
.

[home]
    12
    K omm schon, Liebling, iss auf, es ist dein Lieblingsgericht.«
    Alec saß in seinem Rugrats-Sweatshirt am Küchentisch, die braunen Haare – Ross’ Haar – fielen ihm tief in die Stirn. Er drehte einen Lego-Hubschrauber in den Händen, die Spaghetti Bolognese vor ihm wurden kalt, und die Stäbchen lagen in dem tiefen Teller – seit dem Thailand-Urlaub weigerte er sich, mit irgendetwas anderem zu essen.
    »Damit kannst du später spielen«, sagte Faith nervös. »Oma hat die Spaghetti extra für dich gekocht.« Sie war etwas gereizt, weil sie bald ihre Periode bekam, außerdem standen ihr zwei lange Komitee-Sitzungen bevor. Am Morgen hatte das Kirchendach-Komitee drei Stunden lang getagt und nach Möglichkeiten gesucht, die dringend nötigen Reparaturen zu finanzieren. Unmittelbar danach hatte eine Gemeinderatssitzung stattgefunden, auf der die Strategie für die öffentliche Anhörung wegen des geplanten Golfplatzes entworfen worden war. Trotz einiger Tabletten, die Ross ihr gegeben hatte und die seiner Ansicht nach ihre Übelkeit lindern würden, waren ihre Anfälle von Brechreiz wiedergekommen. Ihr Arztbesuch bei Jules Ritterman lag inzwischen über eine Woche zurück, aber er hatte sich noch nicht bei ihr gemeldet.
    Alec ignorierte sie und nahm einen gelben Legostein vom Rumpf des Helikopters, spitzte die Lippen und steckte das Stück auf einen anderen Stein.
    Faith stand so jäh auf, dass ihr Stuhl umfiel. Rasputin, der auf seinem Bohnensack vor dem Ofen geschlafen hatte, sprang überrascht auf. Sie riss Alec den Hubschrauber aus der Hand. »Iss jetzt«, herrschte sie ihn an.
    »Ich will nicht.«
    Sie stellte den Helikopter auf die schwarze Marmorarbeitsfläche, packte Alecs Stäbchen und zerteilte die Spaghetti in kleine Stücke. Ross und ihre Mutter hatten den Jungen verwöhnt.
    Die Zigarette mit langer Asche im Mundwinkel, die Augen zum Schutz gegen die dünnen Rauchfäden zusammengekniffen, die Stirn gerunzelt in vorgetäuschter Konzentration auf die
Hello!
, die aufgeschlagen auf dem großen alten Kieferntisch vor ihr lag, saß ihre Mutter schweigend am anderen Tischende, Alec gegenüber. Gelegentlich warf sie einen Blick auf die Seifenoper
Neighbours
, die für Faiths Geschmack viel zu laut aus dem Fernseher plärrte.
    Aber sie drehte die Lautstärke nicht herunter. Schließlich hatte ihre Mutter den ganzen Tag auf Alec aufgepasst, der Ferien hatte. Aber das war ja das Problem. Egal, wie alt man ist, man blieb immer das Kind der Mutter; weshalb sie es auch nie über sich brachte, ihrer Mutter das Rauchen bei Tisch zu verbieten, wenn Alec aß. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten respektierte Faith sie. Margaret. Ein vernünftiger, solider Name, und so sah sie inzwischen auch aus: praktisch gekleidet fürs Land, für die feuchten Nächte, in grobgestricktem Pullover mit Zopfmuster, Cordhose und bequemen Schuhen.
    Margaret war etwas über sechzig, hatte kurze graue Haare und ein hübsches Gesicht, das durch Kummer und allzu viele Jahre starken Rauchens faltig geworden war. Sie hatte es nicht leicht gehabt im Leben. Zwanzig Jahre lang

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