Mein bis in den Tod
einer Regenjacke mit hochgeschobener Kapuze eine volle Schubkarre am Fenster vorbei. Rasputin knurrte, tappte zum Fenster hinüber und bellte.
»Ruhig, mein Junge! Ist doch nur Morris.« Der Gärtner hatte Angst vor Hunden, und Rasputin sorgte dafür, dass das so blieb. »Wir gehen später raus, sobald es zu regnen aufgehört hat.«
Plötzlich erschien auf dem Bildschirm folgender Text:
Nachdem ich gestern von meiner Krankheit geheilt worden war, starb ich gestern Abend durch die Hand meines Arztes.
M atthew Prior, 1664–1721,
»Die Kur ist schlimmer als die Krankheit!«
Faith lächelte. Kurz darauf verblassten die Wörter, und Großbuchstaben verkündeten:
WILLKOMMEN IM CABOT - ZENTRUM FÜR KOMPLEMENTÄRE MEDIZIN .
SIE SIND BESUCHER NR . 111926.
Dann erschien eine Außenansicht des Zentrums – es sah aus wie eine hohe, schmale Kirche –, dazu ein Foto von Oliver Cabot. Er war ganz in Schwarz gekleidet, seine Augen blitzten hinter einer kleinen ovalen Brille.
Sie spürte einen Kloß in der Kehle. Griff nach der Maus, bewegte den Cursor und klickte auf die obere rechte Ecke des Rahmens. Sofort wurde er vergrößert; Sekunden später erschien Olivers Gesicht auf dem Bildschirm.
Als der Gärtner wieder am Fenster vorbeistapfte, wandte sie absurderweise – das war ihr klar – den Blick vom Bildschirm zur Wand, als wollte sie das gerahmte Foto betrachten, auf dem Ross bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung Prinzessin Anne die Hand gab.
Sie blickte erneut auf Oliver Cabots Bild und empfand tiefe Sehnsucht, ihn wiederzusehen. Verrückt, dachte sie. Ich benehme mich wie ein verliebter Teenager. Verrückt, und doch …
Sie scrollte herunter, und sein Bild verschwand. Eine Liste der Dienstleistungen, die das Zentrum anbot, erschien: Akupunktur und chinesische Medizin, Aromatherapie, Chronotherapie, Kraniosakraltherapie, Darmreinigung, Farbpunktur, psychologische Beratung und Psychotherapie, Homöopathie, Hypnotherapie, manuelle Lymphdrainage, Tiefenmassage, Osteopathie, Reflexzonenmassage, Reiki, Shiatsu.
Darunter stand:
Sämtliche Therapeuten am Cabot-Zentrum erfüllen die höchsten internationalen Standards. Alle haben eine fachärztliche Ausbildung und besitzen die Zulassung durch gesetzliche und private Krankenkassen. Besuchen Sie unsere Oase der Ruhe im Herzen Londons.
Es folgten eine Telefonnummer, eine Faxnummer, eine E-Mail-Adresse und ein Link auf andere Internetseiten. Sie las die Telefonnummer, dann warf sie einen Blick auf Oliver Cabots Visitenkarte. Zögernd musterte sie Ross’ dunkelgraues Bang-und-Olufsen-Telefon.
Er will mich nur in der Klinik herumführen, mehr nicht. Was ist denn schon dabei?
Vielleicht könnte Dr. Oliver Cabot ihr etwas verschreiben, um dem Bazillus den Garaus zu machen.
Faith nahm den Hörer ab und wollte gerade wählen, als sie ein Auto bemerkte, das mit eingeschalteten Scheinwerfern durch das Tor aufs Grundstück fuhr. Der Fahrer des weißen Mercedes-Kombi war hinter der regennassen Windschutzscheibe nicht zu sehen. Stirnrunzelnd und ärgerlich wegen der Unterbrechung beobachtete sie das Auto.
Als die Tür aufging, erkannte sie die Fahrerin sofort. Eingehüllt in einen Reitmantel und unter einem praktischen, aber absolut lächerlichen Regenhut stieg die langweiligste Frau der Welt aus.
Felice D’Eath.
Mist.
Faith war zusammen mit ihr in einen Unterausschuss der Kinderschutzorganisation NSPCC gewählt worden, die den diesjährigen Halloween-Ball organisierte. Es war zwar noch ein halbes Jahr hin, aber Felice bombardierte sie schon seit der Vorweihnachtszeit mit Mitteilungen, erst per Brief, dann per Fax, und schließlich hatte sie, Schrecken aller Schrecken, das Internet entdeckt und überschüttete sie nun mit E-Mails. Über jeden verfluchten Preis, der für die Tombola gestiftet worden war, wurde Faith genauestens informiert, und bislang hatten sie schon 320 Preise gesammelt.
Faith loggte sich aus und eilte zur Tür, als in der Halle heftiges Klopfen zu hören war.
Mit ihrer durchdringenden Stimme rief Felice D’Eath: »Ooch, Faith, ich bin ja so froh, dass Sie zu Hause sind. Ich habe den ganzen Wagen voller Preise.«
Faith starrte an ihr vorbei in den Regen, der jetzt noch heftiger niederprasselte. Felice zog sich den Hut vom Kopf, schüttelte die langweiligen braunen Haare und knöpfte den Mantel auf.
»Was für ein furchtbarer Nachmittag, aber von Westen her klart es auf – in einer halben Stunde hat der Regen bestimmt aufgehört. Dann
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