Mein bis in den Tod
den Nacken. »Eine Viruserkrankung, der Erreger stammt vermutlich aus dem Wasser. Alle bekannten Patienten haben sich die Krankheit zugezogen, nachdem sie im Nahen Osten, am Indischen Ozean oder am Südchinesischen Meer Urlaub gemacht hatten – wozu natürlich auch Thailand gehört. Sie ist unter dem Namen
Lendtsche
Krankheit bekannt.«
»
Lendtsche
Krankheit?«
»Benannt nach Hans Lendt, dem amerikanischen Immunologen, der die Krankheit identifiziert hat. Ich habe mir in der letzten Woche mehrere Fallgeschichten angesehen. Alle haben die gleichen Merkmale. Das erste Symptom ist eine länger anhaltende Übelkeit – der Patient verspürt sie gewöhnlich zwei oder drei Monate lang. Es folgen eine zunehmende Desorientierung mit Verfolgungswahn. Nächtliche Ängste. Zu den Merkmalen des Endstadiums gehören unter anderem ein fluktuierendes Bewusstseinsniveau und Halluzinationen. Dann setzt ein allmählicher Verlust der motorischen Funktionen ein.« Ritterman schwieg.
Ross versuchte sich vorzustellen, wie all das mit Faith geschah. Er hob sein Glas, drehte es und stellte es wieder ab, ohne daraus getrunken zu haben. Er bekam einen trockenen Mund. »Und wie behandelt man die Krankheit?« Er stellte die Frage, auch wenn er die Antwort an Rittermans Gesichtszügen bereits ablesen konnte.
»Es gibt keine«, antwortete Ritterman unumwunden.
»Nichts?« Es kam aus Ross’ Kehle wie ein Schmerzensschrei.
»Es werden zwar schon klinische Versuchsreihen durchgeführt, aber es gibt noch keine spezielle Behandlung. Die Krankheit wurde erst vor acht Jahren identifiziert, und nur durch eine Hand voll Fälle auf der ganzen Welt, meist Touristen aus Europa, den Vereinigten Staaten und Australien, die in jenen Gegenden Urlaub machten. Aber sie nimmt rapide zu. Inzwischen hat man sie bei etwa 3000 Personen diagnostiziert, und die Zahl könnte sich in den nächsten zwölf Monaten verdoppeln.«
Ross spielte mit einem seiner Manschettenknöpfe. »Was ist die Krankheitsursache?«
»Das weiß noch keiner. Möglicherweise hat die Umweltverschmutzung zur Entwicklung eines neuen Virenstamms geführt. Vielleicht ist es auch unsere Anfälligkeit aufgrund unserer geschwächten Abwehrkräfte – Antibiotika zerstören langsam unsere Immunität gegen manche Krankheiten.«
Ross nickte, er kannte die Theorie.
Ritterman trank einen kleinen Schluck und betrachtete ihn ganz ruhig. »Die Überlebenschancen sind leider nicht sehr groß.«
»Überlebenschancen?«
Ross stand auf, er konnte nicht mehr still sitzen. »Ist die Lendtsche Krankheit unheilbar?«
»Der Großteil der Fälle.«
Ross trat ans Fenster und sah auf den Stoßverkehr auf der Wellington Road hinunter. Bremslichter, Blinklichter, Scheinwerfer spiegelten sich in unregelmäßigen Streifen auf dem nassen Asphalt. Die Londoner fuhren nach Hause, zurück in die Normalität. Er hatte das Gefühl, als stürzte eine ganze Welt um ihn herum zusammen. Faith unheilbar krank. Faith, die er mehr liebte, als er es je für möglich gehalten hatte und mit der er den Rest seines Lebens zusammenbleiben wollte.
Unheilbar krank.
Als er sich zu Ritterman umwandte, überfiel ihn plötzlich Panik. »Sag mir, dass das nicht stimmt, Jules.«
Der Arzt sagte ganz ruhig: »Es tut mir leid, Ross.«
»Und du bist ganz sicher, was die Diagnose betrifft?«
»Alles deutet darauf hin – und ihr seid gerade erst aus Thailand zurückgekehrt. Ich habe die Proben an drei Labors geschickt, als Vorsichtsmaßnahme, und die Ergebnisse stimmen überein. Aber es wäre schön, wenn du eine zweite Meinung einholen würdest.«
Ross fühlte sich völlig erledigt. Eine schreckliche, düstere Angst wirbelte in ihm.
Nächtliche Ängste … Halluzinationen … Allmählicher Verlust der motorischen Funktionen … Unheilbar
.
Es konnte nicht sein, dass all das seiner geliebten Faith widerfuhr.
Nein, Gott, du Mistkerl, tu ihr – uns – das nicht an. Nicht ihr, sie verdient es nicht
.
Er fühlte sich so hilflos. »Ich möchte diese Krankheit verstehen, Jules. Ich möchte alles wissen, was du darüber weißt. Ich möchte, dass du mir sämtliche dir bekannten Forschungsquellen zugänglich machst. Besorg mir sämtliche Informationen, die es über diese Scheißkrankheit gibt. Faith ist eine großartige Frau, sie ist stark, eine Kämpferin.«
Ritterman nickte, aber ohne Überzeugung.
»Ich habe ihr die halbe Wahrheit gesagt«, sagte er. »Dass sie sich meiner Ansicht nach vermutlich eine Virusinfektion zugezogen
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