Mein bis in den Tod
hat – allerdings nur einen Magenbazillus.«
»Also weiß sie nichts über die Diagnose Lendtsche Krankheit?«
»Noch nicht.«
Ross schwieg einen Augenblick, dachte nach. Dann sagte er: »Wer führt die Versuchsreihen durch?«
»Moliou-Orelan.«
Moliou-Orelan war ein US -amerikanischer Pharmakonzern, der in der Vergangenheit immer wieder Medikamente schnell zur Marktreife gebracht hatte. »Das Unternehmen ist eine gute Adresse. Wie können wir Faith in ein Versuchsprogramm bekommen?«
»Ich habe mich mit den Leuten dort schon in Verbindung gesetzt. Sie tun ziemlich geheimnisvoll, aber wenn ich sie recht verstanden habe, haben sie mit den Testreihen der zweiten Phase positive Ergebnisse erzielt.«
Ross’ Augen weiteten sich. »Und?«
»Ich weiß nichts Genaueres.«
»Du hast nichts erfahren?«
»Nein. Aber –«
»Es wird Monate dauern, bis sie Phase drei starten.«
»Nein, sie haben bereits damit angefangen.«
»Kannst du Faith in dem Programm unterbringen?«
»Ich habe einen guten Bekannten, der dort in der Forschungsabteilung arbeitet –«
Ross unterbrach ihn nochmals: »Ich möchte nicht, dass sie ein Placebo nimmt, sondern das echte Medikament.«
Ritterman lächelte wehmütig. »Ich kann sie wahrscheinlich ins Programm schleusen, aber ich kann nicht bestimmen, was sie einnimmt, das weißt du. Das kann niemand.«
Alle Medikamentenversuchsreihen der Phase drei umfassten zwei Gruppen von Probanden, von denen die eine das eigentliche Medikament bekam, die andere dagegen ein Placebo. Die Testprogramme waren entweder so genannte Einzelblind- oder Doppelblindstudien. Bei einer Einzelblindstudie wusste der Arzt, wer die Arznei und wer das Placebo verabreicht bekommt. Doch bei einer Doppelblindstudie – und alle Versuchsreihen der Phase drei werden als Doppelblindstudien durchgeführt – wussten weder Ärzte noch Patienten, wer welches Mittel verabreicht bekommt. Nur eine Hand voll Angestellte des pharmazeutischen Unternehmens, das die Testreihen durchführte, konnte die Kodierung entschlüsseln.
»Jules, ich möchte, dass du das richtige Medikament besorgst. Tu, was immer dazu nötig ist. Es muss einen Weg geben, das echte Mittel aus den Versuchsreihen der Phase drei zu bekommen. Sicherlich kannst du ihr einen Platz als Probandin in dem Versuchsprogramm organisieren?«
»Ich versuche mein Bestes.«
Ross trat langsam vom Fenster zurück. »Aber tu mir einen Gefallen – ich hätte es lieber, wenn du ihr nichts sagst. Darüber, wie ernst die Sache ist. Lass es mich ihr selbst beibringen.«
»Natürlich. Was soll ich ihr sagen?«
Ross nahm sich eine Havanna aus dem Humidor, der auf einem Seitentisch stand, und hielt sie in der Hand. Ohne Rittermans Frage zu beantworten, sagte er: »Sie wird nicht sterben. Wir
werden
einen Weg finden. Ja?«
Der Arzt wirkte etwas hilflos.
Ross hockte sich ihm gegenüber auf eine Lehne des Chesterfieldsofas, Tränen liefen ihm die Wangen hinunter. »Du musst mir helfen, Jules. Ich könnte ohne Faith nicht leben. Ich ertrage es nicht einmal, von ihr getrennt zu sein.«
»Natürlich, ich tue mein Möglichstes.«
Ross zog ein Taschentuch hervor und betupfte sich die Augen. Dann sagte er: »Versteh doch, Faith ist noch ein Kind. Sie ist emotional nie erwachsen geworden. Sie ist sehr verletzlich und braucht Schutz – den ich ihr gebe.«
»Du irrst dich. Ich halte sie für reif und vernünftig.«
Ross schniefte: »Vielleicht tut sie nur so, wenn sie zu dir in die Praxis kommt.«
Ritterman lächelte. »Ich glaube nicht.«
Ross zupfte mit dem Daumennagel an der Banderole der Zigarre. Es war zehn vor sieben, aber das Dinner heute Abend interessierte ihn nicht mehr. »Ich weiß, was am besten für sie ist. Ich bezweifle, dass es gut wäre, wenn sie erfahren würde, wie gravierend die Krankheit ist, okay? Weder jetzt noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.«
»Soll ich sie belügen?«
»Nein, du sollst ihr nur nicht die Wahrheit sagen. Herrgott! Wenn wir schon nichts für sie tun können, können wir sie zumindest in Hoffnung wiegen.«
»Du bringst mich in eine schwierige Lage.«
»Du sagst einem Patienten, der unheilbar an Krebs erkrankt ist, doch auch nicht, dass er stirbt, oder?«
»Wenn mich jemand direkt danach fragt, sage ich ihm die Wahrheit. Vielleicht schmücke ich meine Antwort ein wenig aus, aber ich sage ihm die Wahrheit.«
Ross sah ihn ungläubig an. »Wir haben ein gutes Verhältnis, nicht wahr? Wir vertrauen einander völlig, oder? Du
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