Mein bis in den Tod
rechten Arm, begann, ein imaginäres Orchester zu dirigieren, und sagte laut: »Ihr alle wisst natürlich, dass Beethovens Fünfte für Sieg, ›victory‹, steht. Die Ouvertüre entspricht dem V im Morsealphabet.«
Er blickte in die verständnislosen Augen über den OP -Masken. »Sagt mir ja nicht, dass ich heute mit Heuchlern operiere! Es ist eine höchst passende Musik, denn heute werden wir den Sieg über Nase und Wangenknochen von Geraldine Reynes-Raleigh davontragen!«
Er beugte sich vor und tat so, als studierte er kurz die Nase der Patientin. Dann verkündete er: »Ich beginne mit der Rhinoplastik. Wir machen das geschlossen – das dürfte besser funktionieren.«
Man musste immer die Entscheidung treffen, ob man die Nase öffnen oder sozusagen »blind« in ihr operieren wollte. Heute passte Letzteres perfekt zu dem, was er vorhatte.
»Nasenspekulum.«
Er schob den Nasenspiegel in das linke Nasenloch und drückte den Griff, wodurch er das Nasenloch aufspreizte. Dann, nachdem er den Nasenspiegel
in situ
gelassen hatte, sagte er: »Osteotom.«
Die OP -Schwester reichte ihm den Knochenmeißel. Er nahm ihn in die rechte Hand und tat so, als sei er unzufrieden damit, spähte einen Moment auf das Blatt, dann drückte er es einmal fest mit den Fingern der linken Hand zu, wobei er darauf achtete, seinen Gummihandschuh nicht zu beschädigen.
»Möchten Sie einen anderen haben?«, fragte die OP -Schwester.
»Nein, hiermit geht’s.«
Vorsichtig tastete er sich mit dem infizierten Meißel vor und schob ihn hinauf, bis er spürte, dass die Spitze gegen das Siebbein drückte, das die Nasenhöhle von der Hirnschale trennte und mit winzigen Löchern übersät war, durch die die Geruchsnerven führten.
Niemand im Operationssaal konnte wissen, was er tat. Er drückte fester zu und schob die Spitze des Meißels in eine der winzigen Höhlungen, dann übte er insgeheim mehr Druck aus, bis er spürte, dass der Knochen nachgab und die Spitze des Meißels die Hirnschale selbst durchstieß.
Dann zog er den Meißel zurück – und sah zu seiner Zufriedenheit, dass sich eine winzige Menge Blut auf dessen Spitze befand. Das Bluten in der Nase würde das Leck der Zerebrospinalflüssigkeit infolge des Risses überdecken.
Hinter der Maske bewegten sich seine Lippen, während er die großartige Musik lautlos mitsummte und spürte, wie das Adrenalin durch seine Adern kreiste.
Dann begann er mit der Neuformung der Nase. Er leistete hervorragende Arbeit, war inspiriert, gut aufgelegt. Er strahlte seine Mitarbeiter an.
Sie würde
sensationell
aussehen!
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55
D as Problem ist bloß, dass das Buchenwäldchen in allen Wanderführern erwähnt wird.«
»Die Leute werden es immer noch sehen können – es geht nur darum, den Fußweg um 50 Meter zu verlegen.«
»Aber man muss bedenken, dass manche der Bäume über 250 Jahre alt sind.«
Eine Pause entstand. Dann sagte Donald Fogarty, ein pensionierter Landrat und, wie Faith fand, eines der wenigen Mitglieder des Komitees mit vernünftigen Anschauungen: »Ja, das ist uns auch klar – aber es geht hier darum, den Fußweg zu verlegen, nicht die Bäume. Worauf wollen Sie hinaus?«
Es war das vierte Treffen des Aktionskomitees zur Rettung des Fußweges hier in Little Scaynes. Faith saß an dem eichenen Refektoriumstisch in Ruth Harmans umgebauter Scheune, hörte mit halbem Ohr zu und steuerte wenig mehr bei als ihre bloße Anwesenheit.
Ein anderes Ausschussmitglied meldete sich zu Wort. »Gary Taylor bietet großzügigerweise an, vier Hektar Wald an die Gemeinde abzutreten, im Austausch dafür, dass der Fußweg auf seinem Grundstück fünfzig Meter weiter nach Westen verlegt wird, und zwar nur der 200 Meter lange Abschnitt, der an seinem Haus vorbeiführt. Ich begreife nicht, was das Alter der Bäume damit zu tun hat.«
»Das Problem ist nur, dass der Fußweg schon lange vor seinem Hof da war.«
Ich brauche das nicht, dachte Faith. Echt nicht. Ich möchte mein vielleicht letztes Jahr auf Erden nicht mit Diskussionen über einen öffentlichen Fußweg verbringen. Oder Umleitungen. Oder die Rettung von Kirchendächern.
Sie rührte in ihrem Kaffee.
»Was meinen Sie, Faith?«, fragte eine andere Stimme.
»Gary Taylor ist ein anständiger Mann. Ich sehe nicht ein, warum er sich mit endlosen Horden von Trotteln in knallbunten Regenjacken abfinden soll, die an seinem Haus vorbeilatschen. Historisch betrachtet liegt der Sinn eines Fußwegs darin, Menschen von einem Ort zum
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