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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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sie sich in die Jacketttasche.

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    57
    S pider saß an seinem Stammplatz in einer Nische hinten im Trader Vic’s an der Park Lane, trank einen Hawaiian Sundowner und rauchte eine Marlboro Light. Ihm gefiel der Laden mit seinen dick gepolsterten Ledersitzbänken, dem exotischen Flair und den schicken Gästen. Er hatte Klasse, Stil. Und es war dunkel hier drin, bei Tag und bei Nacht. Das gefiel ihm am meisten.
    Er hielt die Nische für seinen Stammplatz, achtete jedoch darauf, nicht allzu oft hierher zu kommen. Das Personal in den Pubs, die er frequentierte, sollte ihn nicht wiedererkennen. So was hinterließ immer Spuren.
    Er saß ruhig und unauffällig da, war nur einer von den Dutzenden internationalen Geschäftsleuten mit ihren Laptops und Palmtops und Handys, die den Pub wie jede x-beliebige Durchgangskneipe nutzten. Das war auch der Grund, weshalb er in dieser Nische saß, sie lag versteckt, außerdem war es hier schummriger als irgendwo sonst in dem Laden. Ein diskreter Ort, um Geschäfte abzuwickeln.
    Spider hatte bereits früh im Leben eines gelernt: Wenn er respektiert werden wollte, musste er härter als die meisten dafür arbeiten. Weil er eine schlecht operierte Hasenscharte hatte und nur einszweiundsechzig groß und spindeldürr war, hatte er sich von den Großen in der Schule ganz schön viel gefallen lassen müssen.
    Wenn man mit fiesen Tricks kämpfte, hielt man sich zwar ein paar von den üblen Schlägern vom Leib, aber man machte sich keine Freunde damit. Man musste andere Werte entwickeln. Man musste etwas finden, für das die Leute einen bewunderten. Und Spider hatte etwas gefunden.
    Schon als Junge hatte er nämlich festgestellt, dass er Talent zum Klettern und keine Höhenangst hatte. Er konnte praktisch überall raufklettern. Das beeindruckte die Leute. Es imponierte sogar manchen Mädchen, die von seiner Lippe abgestoßen, aber auch neugierig darauf waren. Angefangen hatte er mit einfachen Objekten, beispielsweise Kräne, die Löwen am Trafalgar Square, das Albert Memorial, Marble Arch, und sich dann langsam größeren Herausforderungen gestellt. Er kam an allem hoch, was einen Spalt oder einen Vorsprung für eine Hand oder einen Fuß aufwies. Und er stellte fest, dass sich mit Wetten Geld verdienen ließ, denn er konnte, oft mit nichts mehr als bloßen Händen und Schuhen mit Gummisohle, Gebäude emporklettern. Und so hatte er auch seinen Namen bekommen: Spider, die Spinne.
    Mit fünfzehn hatte er dann Alexandra Palace, das Battersea-Kraftwerk, den Centre Point Skyscraper und die St.-Pauls-Kathedrale bezwungen.
    Als er etwas älter war, fand er einen besseren Weg, sich Respekt zu verschaffen: Er kletterte nicht mehr nur irgendwo hoch, sondern übernahm auch Jobs. Aufträge, vor denen andere zurückschreckten. Wenn man solche Sachen hinkriegte, konnte man jede Menge Geld verdienen. Und man konnte Freunde gewinnen. Langjährige Freunde, die gut zahlten.
    Spider war gut drauf. Im Trader Vic’s ging ihm das immer so. Wenn er sich gegen die Lederpolster lehnte, einen exotischen Drink zu sich nahm, seine Zigarette rauchte, die er zunächst auf sein silbernes Etui geklopft hatte, so wie sein Jugendheld Sean Connery in
Dr. No
, dann war er wer. Dann war er cool, betrachtete seine Umgebung durch seine getönte Brille, und seine Oberlippe verdeckte ein Schnauzbart, den er über viele Jahre kultiviert und ursprünglich wie Charles Bronson gestylt hatte.
    Er bestellte das Gleiche noch mal.
    Während er wartete, holte er sein Palmtop heraus, klappte es auf und sah seine E-Mails durch. Nichts Neues, aber das war nicht wichtig. Eine Mail hatte er als geschützte Datei abgespeichert, und was darin stand, würde ihn eine Weile beschäftigt halten – und noch länger gut bei Kasse.
    Sein alter Freund, Ronnie Milward, hatte sie ihm geschrieben.
    Onkel
Ronnie.
    Ronnie lebte meistens auf seinem Boot in Spanien. Probleme mit der Justiz verhinderten, dass er nach England zurückkehrte. Er gehörte zu den wenigen Leuten, die Spider als Kind anständig behandelt hatten. Er wusste nicht genau, wieso – ob der Grund war, dass der alte Gauner ein schlechtes Gewissen hatte, weil er seinen Dad nach dem bewaffneten Raubüberfall alles allein ausbaden ließ – der verbrachte nämlich danach zwanzig Jahre hinter Gittern –, oder weil er mit seiner Mum eine Affäre hatte, während sein Dad im Bau saß. Na egal, das war Schnee von gestern, und außerdem waren seine Eltern inzwischen sowieso schon beide tot. Aber

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