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Mein Boss, die Memme

Mein Boss, die Memme

Titel: Mein Boss, die Memme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick D. Cowden
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nach Deutschland gekommen war, hatte ich schnell gelernt, dass ich neben Deutsch noch eine weitere Fremdsprache lernen musste, die die Deutschen offenbar in die Wiege gelegt bekommen: das Jammern. Was mich in meinen ersten Jahren als Chef dann aber noch mehr verblüffte, war eine besonders tückische Mundart dieser Sprache: die unverblümte Kritik. Und die wird an deutschen Arbeitsplätzen fließend gesprochen.
    Wenn ich als junger Chef mit Anfang Dreißig eine neue Idee verkünden wollte, sprang ich oft wie der typische amerikanische Business-Prediger vor meinen Mitarbeitern umher. Was ich erwartete, war eine euphorische Gefolgschaft. Was ich oft genug erntete, waren kritische Nachfragen.
    Jede Entscheidung der Führungsetage, so schien es mir, wurde gnadenlos hinterfragt, bis ins letzte Detail. Ich wünschte mir damals, meine Kollegen würden einfach mal durchstar ten, ohne alles zu zerreden. Ich hatte eine amerikanische Vorstellung von Führung: Der Chef hisst die Fahne, die anderen steigen begeistert auf die Pferde und galoppieren hinterher.
    Offene, in großer Runde geäußerte Kritik an der Entscheidung oder Meinung eines Chefs, das gibt es in den USA so gut wie nie. Es wäre nicht nur eine Respektlosigkeit gegenüber dem eigenen Chef, sondern auch ein Anschlag auf die gute Stimmung im Team. Und so verunsicherte mich die Skepsis meiner Kollegen, weil ich es persönlich nahm. Ihr mögt meine Ideen nicht, also mögt ihr auch mich nicht.
    Was für ein Schwachsinn!
    Erst einige Jahre später begriff ich, dass es die kritische Auseinandersetzung mit meinen Mitarbeitern braucht, um alle auf ein Ziel einzuschwören. Erst dann kann sich jeder von ihnen damit identifizieren. Und erst dann sind wir als Team wirklich stark. Die vermeintlich nervtötende und lähmende deutsche Kritik- und Detailverliebtheit erlebe ich heute als Stärke. Und oft genug auch als einen zwischenmenschlichen Vertrauensbeweis gegenüber mir, dem Vorgesetzten.
    Wer aber als mimosenhafter Chef seine Mitarbeiter bei der leisesten Kritik auf eine emotionale Achterbahn aus Nähe und Distanz, aus Liebenswürdigkeit und Antipathie schickt, der beschädigt mit seinem unreifen Verhalten jede partnerschaftliche Beziehung.
    Wenn die Mitarbeiter solcher Kuschel-Junkies im Nachgang mit Zickereien belohnt werden, überlegen sie es sich zukünftig zweimal, ob sie ehrlich ihre Meinung äußern oder auf Missstände deutlich und aufrichtig hinweisen.
    Mein Rat an diese Mitarbeiter: Bleibt offen, sagt weiterhin, was Ihr denkt. Chefs brauchen unsere Kritik. Ich könnte jetzt sagen, diese Kritik sollte nie persönlich, sondern immer sachlich ausfallen. Aber das wäre Quatsch. Kritik ist immer persönlich, immer subjektiv. Und Kritik kann und darf wehtun, solange Würde und Respekt gewahrt bleiben. Ich kann zu einem Kollegen sagen, dass er verdammt noch mal großen Mist gebaut hat. Deswegen muss ich ihn als Menschen nicht weniger schätzen. Ehrliche und authentische Kritik ist oft sogar ein Beweis für eine intakte Beziehung.
    Chefs müssen lernen, mit der Kritik vonseiten der Mitarbeiter umzugehen. Wenn sie die Meinung ihrer Leute nicht zulassen wollen, dann besteht die Gefahr, dass der Druckkessel »Team« am Ende der Achterbahnfahrt hochgeht. Und ein Mitarbeiter, der schweigt, um den Kuschel-Chef nicht zu verletzen, macht sich selbst zur Memme.
    Im Tandem zum Erfolg
    In ihrer emotionalen Hilflosigkeit können manche Chefs richtig deprimierend sein. Vor lauter Mitleid möchte man ihnen geradezu helfen. Oft ist das gar keine schlechte Idee, wie die folgende Erzählung eines Sachbearbeiters zeigt:
    Der Alpha-Assistent
    Â»Am Anfang bekam unser Chef, der fachlich ja sehr kompetent ist, wenig auf die Reihe. Weil bei uns vieles diskutiert wird und er dazu neigt, zu schnell nachzugeben. Das änderte sich erst, als er eins unserer Alpha-Männchen zu seinem Assistenten machte. Der bringt jetzt richtig Zug rein. Läuft mal etwas nicht, wie es soll, dann spricht er es direkt an. Der eigentliche Chef sorgt dagegen wie bisher für die gute Stimmung. Und fällt letztlich die Entscheidungen, für die sein Assistent ihm den Weg ebnet.«
    Philip K., Sachbearbeiter bei einer Versicherung
    Doch nicht immer braucht es einen Assistenten. Die unterstützende Funktion kann auch ein Team übernehmen, das zu schätzen weiß, was es an einem netten, liebenswerten Chef hat

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