Mein Boss, die Memme
anfällig, so das Resultat einer Studie, die das Instituts für angewandte Innovationsforschung an der Ruhr-Universität Bochum 2011 unter dem Titel »Innovation mit Risiken und Nebenwirkungen â Jeder vierte Manager ist vital erschöpft« veröffentlichte. Und das betreffe weit weniger die Chefs an der Spitze, welche die Ziele vorgeben, sondern wesentlich häufiger das mittlere Management, das die Vorgaben umsetzen muss. Und so wundert es nicht, dass nur 44 Prozent der deutschen Führungskräfte mit ihrem Arbeitspensum zurechtkommen, wie eine international vergleichende Umfrage des Online-Stellenmarktes StepStone 2007 unter der Ãberschrift »Jeder Vierte vor Burnout« ergab. Die deutschen Chefs, im internationalen Vergleich schneiden sie als trauriger Spitzenreiter ab.
Der Wirbel aus ewig drängenden E-Mails und Anrufen von Kunden, eigenen Vorgesetzten und Mitarbeitern: Wer sich diesem Ansturm widerstandslos ergibt oder sogar bereitwillig hingibt, weil er sich nur dann als Manager ernst genommen fühlt, kommt selten mit 40 Arbeitsstunden pro Woche aus.
Nach einer Studie der Unternehmensberatung Kienbaum verbringen deutsche Manager durchschnittlich 54 Stunden pro Woche im Büro. Weniger als ein Drittel nimmt sich die Zeit für eine tägliche Arbeitspause, zitierte der stern die Studie im April 2003 unter dem Titel »Deutsche Manager: Wenig Zeit für Kunden und sich selbst«.
Wenig Schlaf, wenig gesundes Essen, kaum Zeit für Familie, Sport oder Hobbys â dafür Arbeit und noch mehr Arbeit, für die es oft genug nicht mal die notwendige Anerkennung gibt.
»Jeder Dritte greift zu Alkohol oder Medikamenten, um durchzuhalten«, schätzte Jochen von Wahlert, Chefarzt der Helios Klinik für Psychosomatische Medizin in Bad Grönenbach im Allgäu, im Beitrag »Narzisst in der Kommandozentrale« von Spiegel online im Juli 2009.
Den meisten Managern, vor allem Männern, fehlt ein Zugang zu ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit. Wenn es Stress gibt, laufen sie erst recht weiter bis zum Exzess. Probleme sollen mit noch mehr Einsatz behoben werden. Koste es, was es wolle. Koste es die eigene Gesundheit oder die der Mitarbeiter.
So geben Chefs auf allen Ebenen ein fatales Vorbild ab. Von oben nach unten wird die falsche Haltung vorgelebt. Wer sich bis zur Selbstzerstörung verausgabt und als Führungskraft nicht auf seine eigenen Bedürfnisse achtet, der achtet auch nicht auf die seiner Mitarbeiter. Und das hat Folgen.
Auf 43 Milliarden Euro beziffert das Dekra Arbeitssicherheitsbarometer 2011 die Kosten, die der deutschen Wirtschaft durch Ausfallzeiten jährlich entstehen. Anders als früher sind nicht mehr Arbeitsunfälle an technischen Geräten die wichtigste Ursache, sondern innere Kündigung und Burnout der Mitarbeiter.
Für eine echte und vor allem nachhaltige Verhaltensänderung braucht es bei vielen Managern erst einen heilÂsamen Schock, der die Perspektiven wieder gerade rückt. So einen Sinneswandel erlebte ich selbst nach meiner letzten Entlassung:
Aussteigen
Als ich das Unternehmen, in das ich fünf Jahre lang jede Woche mehr als sechzig Stunden investiert hatte, Hals über Kopf verlassen musste, spürte ich nach der ersten Wut und Gegenwehr nur noch eine groÃe Leere. Als hätte jemand meinen auf Hochtouren laufenden Motor plötzlich abgewürgt. Ich saà zu Hause und drehte mich um mich selbst. Keine Anrufe mehr, keine Bitten und keine Anfragen. Ich fühlte mich unendlich müde und verbraucht.
Die Art, wie man mich vor die Tür gesetzt hatte, stand im krassen Gegensatz zu der Hingabe, mit der ich mich für den Erfolg des Unternehmens eingesetzt hatte. Diese Hingabe, das wurde mir jetzt klar, hatte ich mit dem Preis der Selbstaufgabe bezahlt. Der Aufgabe jeglichen Privatlebens. Dass meine Ehe in dieser Phase endgültig in die Brüche ging, es wunderte mich nicht.
Anstatt nach einer neuen Stelle Ausschau zu halten, kümmerte ich mich zum ersten Mal seit Jahren um mich selbst. Wie ein Unfallopfer, das erst wieder das Gehen lernen muss, begann ich mich selbst kennenzulernen. Ein Coach meinte zu mir, ich wirke, als hätte ich den Kontakt zu meinem Körper verloren. Endlich begann ich Sport zu treiben, Menschen zu treffen, das Leben zu genieÃen.
Als ich nach etwa acht Monaten wieder bereit war, eine Führungsposition einzunehmen, hatte sich
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