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Mein digitales Ich

Mein digitales Ich

Titel: Mein digitales Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Christian u Greiner Grasse
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Andreas Stadler »Selbstoptimierung« an erster Stelle. »Durch die Erkenntnis des Selbst kann ich das optimale Selbst mitgestalten«, sagt der Mittzwanziger. Der Soziologe Georgios Papastefanou vom Leibniz Institut für Sozialwissenschaft sieht in der Quantified-Self-Bewegung einen logischen nächsten Schritt für eine sich immer weiter individualisierende und personalisierende Gesellschaft. Bewerten will er die Sache noch nicht, denn es sei noch offen, wohin uns die Entwicklung führe. Sie habe »in sich die Chance zu einer gerechteren Gesellschaft, weil sie jetzt mit ihren Internet-Applikationen und Geräten für die breite Masse die Möglichkeit bietet, sich selbst besser zu entwickeln, sich zu verbessern: Leistung, Gewicht, Lebensart und so weiter. Sie hat aber auch die Möglichkeit zu einer stärker ungerechten Gesellschaft, weil sie ein Auswahlkriterium zur Verfügung stellt«, sagt Papastefanou und warnt vor einer möglichen Eigendynamik, welche die Gadgets entwickeln könnten, wenn sie erst einmal in der Welt sind.
    Von den Schwierigkeiten, den entfesselten Geist wieder zurück in die Flasche zu bekommen, um die Kontrolle über meine Lebensführung von der Technik rückzuerobern, davon erzählt,spaßig überspitzt, der Videobeitrag »Quantified Self-Apps: Die Vermessung des Selbst« der on3-Redaktion des Bayerischen Rundfunks – eine persiflierende Darstellung eines Lebens unter App-Stress. Wir sehen on3-Reporter Sebastian, müde, schlapp und geknickt von der Angst, »auf dem Seitenstreifen zu parken«, während alle anderen superfit an ihm vorbeiziehen. Diese Angst, nicht mehr Schritt halten zu können mit den anderen, mit den Superfitten, führt ihn zu Quantified Self. Sein iPad zeigt ihm, wie es geht. Mit den entsprechenden Apps wird es zum Trainer, der Sebastian erbarmungslos antreibt, jede Tätigkeit kontrolliert und bewertet, immer mit dem Ziel, Sebastians Leben zu optimieren. Ein Albtraum! Keine Tätigkeit, die nicht permanent durch irgendein aufforderndes Signal gestört wird, keine Konzentration, keine Ruhe, nirgends. Dem wird es am Ende zu bunt: »Laufen kann ich auch alleine!« Und er drückt sein nie schweigendes iPad während des Joggens einer Passantin in die Hand: »Hier! Falls du Lust hast, dich mal selbst zu optimieren. Viel Spaß!«
    Vergleichsweise ernsthaft setzt sich das ZDF-Verbrauchermagazin Volle Kanne mit Quantified Self auseinander, indem es den mittlerweile schon einigermaßen medienbekannten Christian Kleineidam in seiner Wohnung besucht. Der Zuschauer erfährt, wie, aus welchen Gründen und zu welchem Zweck der Bioinformatikstudent seinen Körper den täglichen Messritualen – Erfassen von Lungenfunktion, Körpergewicht oder Glücksempfinden bei bestimmten Tätigkeiten – unterzieht, und ein medizinischer Experte, der Arzt und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht, äußert sich zu Chancen und Risiken solchen Tuns. Er hält Quantified Self für »absolut ungefährlich«,denn es handele sich um »eine Gruppe von jungen Menschen, die auch sehr technikbegeistert sind und gerne Werte erfassen, programmieren, mit Software auch herumspielen.« Schwierig werde es allerdings, »wenn das auch Menschen betrifft, die eine krankhafte, übersteigerte Selbstbeobachtung haben und dann ihren Tagesablauf komplett danach umstellen.« 14
    Während also die einen das Selbstverständnis des Menschen als intelligentes, selbst denkendes und selbst fühlendes Wesen und damit unsere gesamte Gesellschaft in Gefahr sehen, feiern die anderen die Erweiterung des Menschen durch die Errungenschaften einer Technik, die sich dem Menschen immer mehr anpasst.
    Und wir, die Autoren dieses Textes? Was finden wir?
    Wir können Bedenken wie Begeisterung nachvollziehen und finden jeweils auch die meisten Argumente gerechtfertigt. Wir wollen die neuen Entwicklungen weder verteufeln noch in den Himmel loben, sondern schlicht Chancen und Risiken ausloten, soweit es uns zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist. Und was wir auf gar keinen Fall wollen: urteilen, ohne selbst auszuprobieren.

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    http://www.ted.com/talks/ellen_jorgensen_biohacking_you_can_do_it_too.html
    Die US-Biologin Ellen Jorgensen beschreibt die biologisch-medizinische und genetische Dimension der digitalen Selbstvermessung. (Video)

5 . Das eigene Leben digitalisieren: Ein Selbstversuch
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    »Über Sex kann man nur auf Englisch singen«, so beginnt der gleichnamige Tocotronic-Song aus dem Jahr 1995. Den Grund dafür schiebt Sänger Dirk von Lowtzow

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