Mein digitales Ich
der App gelb, denn ich bin kurz davor, meine empfohlene Tageskalorienmenge zu erreichen. Will ich meinen Plan einhalten, darf ich nur noch 246 weitere Kilokalorien zu mir nehmen. Wenn man noch Hunger verspürt, ist das durchaus frustrierend. Aber wie heißt es doch so schön: Von nichts kommt nichts.
Diese Berechnung basiert bisher allerdings nur auf dem Input. Wie sieht es mit meinem Output aus? Ich kann im Browserfenster oder per Smartphone-App Aktivitäten auflisten. Der tägliche Spaziergang zur U-Bahn zum Beispiel. Ich wähle die Aktivität »Gehen« und kann nun Dauer, Strecke und Startzeit der Aktivität eintippen. Falls ich die Distanz der Strecke nicht kenne, kann ich alternativ die Intensität auswählen, von »langsames Tempo« bis »sehr schnelles Gehen (Hund ausführen)«. Nach den zehn Minuten Fußweg zur U-Bahn habe ich laut App 39 Kilokalorien verbrannt. Die Daten werden innerhalb weniger Sekunden ins Netz übertragen, mein Input und Output werden anschließend innerhalb des Portals automatisch aktualisiert und gegengerechnet. Je mehr ich mich bewege, desto mehr kann ich essen. Durch eine gesteigerte Aktivität kann ich vom roten Bereich zurück in den gelben gelangen. Aber bereits hier zeigt sich ganz klar, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, denn so bin ich den ganzen Tag damit beschäftigt, Aktivitäten einzutragen. Jeder Schritt im Büro, der Gang zur Toilette oder der Kollegenbesuch im dritten Stockwerk: Es ist so gut wie unmöglich, zumindest unendlich unpraktisch, jeden einzelnen Schritt manuell festzuhalten. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch jede Menge Nerven. Deshalb entscheide ich mich für einen digitalen Schrittzähler. Das Gerät heißt »One« und stammt von derselben Firma, die auch meine WLAN-Waage anbietet.
D igital Laufen lernen
Der kleine Plastik-Clip ist etwa so groß wie ein Memory-Stick und muss zuallererst mit einem USB-Kabel an den Computer angeschlossen werden. So kann ich den digitalen Schrittzähler nicht nur aufladen, sondern auch einrichten und aktivieren. Sobald ich das Gerät im Onlineportal freigeschaltet habe, misst es auch schon los. Ich stecke den Clip in meine Hosentasche und laufe ein paar Schritte durch die Wohnung. Als ich es wieder aus der Hosentasche nehme, werden bereits zwölf Schritte auf dem Mini-Display angezeigt. Der einzige Knopf auf dem Schrittzähler führt mich durch ein Menü, das mir jederzeit Schritte, Stockwerke, Distanz, Kalorien, Uhrzeit und die allgemeine Aktivität des aktuellen Tages anzeigt. Das ist im ersten Moment sehr beeindruckend. Sobald ich wieder in der Nähe meines Computers bin, werden die Daten des Schrittzählers ins Internet übertragen, denn im USB-Anschluss meines Rechners steckt ein kleiner Empfänger, der den Schrittzähler automatisch per Funk ausliest, sobald er in Reichweite ist. Ich öffne also den Browser und sehe auf meinem persönlichen Online-Konto meine ersten digitalisierten Schritte. Faszinierend. Sobald die Daten im Netz sind, kann ich sie auch per App auf meinem Smartphone betrachten. Schon fühlt sich das Leben digitaler an. Auch wenn das alles sehr aufregend und spannend ist, irgendwie traue ich dem System nicht über den Weg. Schließlich sind die erfassten Daten durchaus intim. Deshalb verwende ich eine extra dafür eingerichtete E-Mail-Adresse und einen falschen Namen. Der Dienst ermöglicht auch das Teilen der eigenen Daten innerhalb der Community, um mit anderen Nutzern gemeinsam fitter zu werden und sich auszutauschen. Was ich explizit nicht tue. Ein Blick in die Nutzungsbedingungen von Fitbit (Stand Januar 2013) bestätigt meine Skepsis. Das Unternehmen gibt nach eigener Aussage »von Zeit zu Zeit bestimmte persönliche Daten an strategische Partner weiter«. Nach Zustimmung der Nutzungsbedingungen kann Fitbit außerdem »persönliche Daten auch an Unternehmen weitergeben, die Dienste im Zusammenhang mit Datenverarbeitung, Bestellabwicklung, Produktzustellung, Kundendatenverwaltung, Marktforschung usw. bereitstellen«. Besonders das »usw.« deutet letztendlich darauf hin, dass die Weitergabe meiner Daten offensichtlich grenzenlos ist, zumindest potenziell. Zusätzlich nimmt sich die Firma das Recht heraus, im »Falle einer Umstrukturierung, Fusion oder Übernahme jegliche persönlichen Daten an die jeweilige Drittpartei weiterzugeben.« Was mir ebenfalls nicht gefällt: Falls ich das digitale Vermessen bei dem Onlinedienst beenden will, kann ich mein Benutzerkonto nur dann
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