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Mein digitales Ich

Mein digitales Ich

Titel: Mein digitales Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Christian u Greiner Grasse
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Diktatur bedeuten. Der Quantified-Self-Bewegung aber geht es um das genau Gegenteil: um den selbstbestimmten Umgang mit dem eigenen Körper.
Q uantified Self – eine Gefahr für den Menschen?
    Ist Quantified Self tatsächlich eine Entwicklung, die uns Grund zur Sorge gibt? Wir bitten den Medizinsoziologen Professor em. Dr. Klaus Hurrelmann um eine Einschätzung. Per E-Mail fragen wir nach einem Termin für ein Telefoninterview. Am nächsten Vormittag haben wir Herrn Hurrelmann in der Leitung.
    Der emeritierte Professor und renommierte Gesundheitswissenschaftler Hurrelmann sieht in dem Selbstvermessungstrend eine Entwicklung von »unschätzbarem Wert«. Zumindest für den Einzelnen und zumal für den Mann. Weil dadurch endlich auch Männer beginnen, ein Körpergefühl zu entwickeln.
    »Die jungen Männer sind im Unterschied zu den jungen Frauen ziemlich blind dem eigenen Körper gegenüber. Insofern ist das ein Meilenstein – wenn auch auf eine eigenartige, technisch verbrämte Form –, wenn hier junge Männer Interesse daran haben, welchen Körper sie besitzen und welche Eigenschaften dieser Körper hat. Das ist sensationell. Das ist nicht in der Tradition von männlichem Körperbewusstsein. Langfristig wird in der Medizin ja ohnehin sehr intensiv in Richtung Telemedizin gearbeitet, also an der Übertragung von Körperdaten an bestimmte Datenzentren, von wo aus dann, fachkundig ausgewertet, Rückmeldungen erfolgen.«
    Allerdings sei sowohl bei Telemedizin als auch bei Quantified Self Vorsicht geboten. Denn: »Damit gebe ich natürlich Daten preis. Ich gebe quasi öffentlich, also fachöffentlich, Datenüber meine Befindlichkeiten an eine Instanz weiter. Die Jungs, die Quantified Self betreiben, machen das eben öffentlich in ihrer Community. Das kann blitzschnell auch darüber hinausgehen, im Sinne von Datenmissbrauch. In der seriösen Medizin wie auch bei Quantified Self muss man höllisch aufpassen, dass das wirklich geschlossene und kontrollierte Transformationswege der Daten sind.«
    Also was nun? Quantified Self – Chance oder Risiko? Wir wollen noch eine zweite Autorität hören.
    Und fragen beim Berliner Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) nach. Dessen Gründungsdirektor, der Informatiker und Internetforscher Professor Dr. Dr. Thomas Schildhauer, sieht in Quantified Self sowohl Chancen als auch Risiken: »Wenn man es positiv sieht, dann kann das Gesundheitssystem dadurch vielleicht sogar entlastet werden. Weil Menschen durch die Eigenbeobachtung eher feststellen, wenn sie in einem kritischen Bereich landen, und sich dann vielleicht auch ohne medizinische Hilfe selbst ›einstellen‹ können. Auf der anderen Seite kann es natürlich auch dazu führen, dass plötzlich Beobachtungsmuster entstehen, die genau das Gegenteil generieren – die also dazu führen, dass Menschen mit den Datenmengen in der Interpretation überfordert sind und dadurch erst recht Problemlagen entstehen. Also dass ich möglicherweise auf einmal feststelle: Ich vergleiche mich innerhalb einer bestimmten Bezugsgruppe mit anderen Menschen, die immer einen niedrigeren Blutdruck haben als ich, und obwohl ich damit vorher eigentlich nie ein Problem hatte, wächst plötzlich ein Problem an, weil ich auf einmal das Gefühl habe, dass ich da vielleicht doch ein Problem habe.«
    Die Gefahr einer Gesundheitsdiktatur, in der die Selbstvermessung für jeden Bürger verpflichtend wird, sieht Schildhauer nicht.
    »Das würde ja bedeuten, dass wir in irgendeiner Form ein gesetzgebendes Verfahren in Gang setzen würden, das natürlich schnell in der Frage nach der Privatheit der Daten mündet. Da bin ich skeptisch, dass wir in absehbarer Zeit irgendeine verpflichtende, vielleicht sogar gesetzliche Regelung bekommen. Solange das auf freiwilliger Basis läuft und ich mich selbst entscheiden kann, meine Daten auf einer bestimmten Plattform zur Verfügung zu stellen, ist das eine andere Geschichte, als wenn das einfließt beispielsweise in Bewertungen von Versicherungspolicen oder ähnliches. Ich kann mir zwar vorstellen, dass es da Begehrlichkeiten gibt, aber da muss noch viel Wasser die Spree hinunterfließen, bis es da zu einer übergreifenden Entwicklung kommen kann.«
Das Beste aus beiden Welten
    Unter dem Schlagwort »Individualisierte Medizin« (auch: »Personalisierte Medizin«) vollzieht sich in jüngster Zeit ein Bewusstseinswandel im (schul-)medizinischen Sektor: Immer mehr Ärzte propagieren ein Gesundheitssystem, das es

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