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Mein digitales Ich

Mein digitales Ich

Titel: Mein digitales Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Christian u Greiner Grasse
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kostete bei seiner Einführung 1983 fast 4000 Dollar und erlaubte seinem Besitzer ein mobiles Telefonat von maximal einer Stunde. Seitdem hat sich nicht nur die Technologie verändert – auch unser Selbst-, Menschen- und Weltbild ist ein anderes geworden. Es steht in engem Zusammenhang mit der technischen Entwicklung, die uns umgibt. Die Rechenleistung und Sensorik eines aktuellen Mobiltelefons übersteigt die damalige Vorstellung von Computer- und Netzwerkarchitektur bei Weitem und lässt sich zu Beginn des mobilen Telekommunikationszeitalters, wenn überhaupt, nur in der fiktiven Vision der Kommunikator- und Trikorder-Technologie des Star-Trek -Universums wiederfinden. Hätte jemandvor zehn Jahren prophezeit, dass heute gigahertzstarke Vierkernprozessoren, mehrere Tausend Megabyte große Speicher, Audio- und Videofunktion, Ortungschips, Funk- und andere Kommunikationsschnittstellen, Bewegungs- und Lagesensoren und berührungsempfindliche Oberflächen in nur wenige kubikzentimetergroße Computer passen, die wir tagein, tagaus in unseren Hosentaschen umhertragen – man hätte diese Person wahrscheinlich für verrückt erklärt.
    Heute hat die digital vernetzte Technik eine unterbewusste Omnipräsenz erreicht. Das Wissen der Welt ist jederzeit abrufbar, und die Trennung von Mobiltelefon und Internet, die noch vor einigen Jahren vorherrschte, ist aus heutiger Sicht kaum noch vorstellbar. Ähnlich fremd ist vielen inzwischen auch die Vorstellung, in einer Welt zu leben, in der es keinen Netzzugang gibt. Das Internet ist längst zu einer essenziellen Infrastruktur für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft geworden und genießt einen ähnlichen Stellenwert wie unsere Strom- Wasser- oder Straßennetze. Es ist unverzichtbar. Die Netztechnologie wird dabei zunehmend unsichtbar und integriert sich immer mehr in unseren Alltag und damit in uns selbst. Die Technik assimiliert uns oder erweitert uns, je nachdem aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet. Vielleicht kennen Sie das Gefühl: Sie gehen aus dem Haus, und irgendetwas stimmt nicht. Vielleicht haben Sie vergessen das Fenster zu schließen oder haben den Hausschlüssel in der Tür stecken lassen? Nein, es ist Ihr Telefon. Es liegt noch auf dem Küchentisch, und sofort überfällt Sie ein Gefühl von Unvollkommenheit, Sie spüren eine Art digitalen Phantomschmerz. Der Verlust wird noch deutlicher, wenn Sie nach Orientierung suchen. Wo ist noch mal die HauptstraßeNummer 46, war das an der Kreuzung rechts oder links? Normalerweise genügt ein Blick auf die Navigations-App Ihres Smartphones, um diese Frage zu beantworten, aber das liegt im Moment unerreichbar auf dem Küchentisch. Diese ausgeprägte digitale Technologiesymbiose ist verhältnismäßig neu. Die Anfangsphase der Digitalisierung war stets mit einer Schranke verbunden, die zwischen uns und dem Computer existierte. Die Rechner und ihre Benutzeroberflächen waren so angelegt, dass wir uns der Maschine anpassen mussten. Heute hört der Computer uns zu, wortwörtlich. Er hat gelernt, sich dem Menschen anzupassen.
Computer auf der Überholspur
    Am Anfang herrschte digitale Distanz. Die ersten Jahre des Computerzeitalters waren aus technischer Sicht von Größe und Langsamkeit geprägt. Eine der frühen Rechenmaschinen trug deshalb den passenden Namen Colossus. Das mit 1500 bis 2500 Röhren bestückte, raumfüllende Ungetüm wurde in den Vierzigerjahren von britischen Forschern für die Entschlüsselung deutscher Codes während des Zweiten Weltkriegs entwickelt. Ein paar Jahre zuvor erfand der deutsche Computerpionier Konrad Zuse den Z1, einen frei programmierbaren Computer mit einer Rechenleistung von einem Hertz. Der Frühcomputer konnte demnach eine Rechenoperation pro Sekunde bearbeiten. Zum Vergleich: Ein aktuelles Smartphone arbeitet etwa anderthalbmilliardenmal schneller – auf mehreren Prozessorkernen gleichzeitig. In den ersten Jahren der Computertechnik erkannten nur wenige Experten das Potenzial dieser revolutionären Erfindung. 1943 sollte der damalige IBM-Chef Thomas J. Watson den weltweiten Bedarf an Computern beziffern. »Fünf«, war angeblich seine Antwort. Die Geschichte beweist, dass seine Einschätzung die Realität um unvorstellbare Längen verfehlte. Etwas zuversichtlicher war der britische Computerwissenschaftler und Code-Knacker Alan Turing. In seinem 1950 veröffentlichten Artikel »Computing Machinery and Intelligence« 22 schätzte er die Speicherkapazität von Rechnern für den Zeitraum

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