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Mein Erzengel (German Edition)

Mein Erzengel (German Edition)

Titel: Mein Erzengel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Fischer
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Handgelenke. Maria sieht ihren Blick. «Das ist alles, was mir von Michaël geblieben ist», sagt sie mit einem bitteren Lachen.
    Ihre Direktheit erleichtert Ruth den Einstieg.
    «Wie ich am Telefon angedeutet habe: Ich war mit Michaël verheiratet und möchte mehr über ihn erfahren.»
    «Tja, hast nicht rechtzeitig nachgefragt, das kenn ich.»
    Sie duzt Ruth. Sie sind beide Überlebende.
    «Wir waren in Kirchstätten, wollten etwas über Vera erfahren. Aber wir sind nicht weit gekommen. Außer der Greißlerin, die uns eine Schauergeschichte über Orgien erzählt hat, wollte keiner was sagen.»
    «Das wundert mich nicht.» Maria lacht und muss husten. «Die haben den alle miteinander gehasst. Weil er Ausländer war, weil er die Vera dem einheimischen Gerhard weggeschnappt hat, weil die beiden anders gelebt haben. Gekifft haben sie auch, logo. Wenn er schwarz gewesen wäre, hätten sie ihn gelyncht.»
    «Nicht dass er sich Vera gegenüber fein verhalten hat», fügt sie hinzu.
    «Trotzdem …», setzt Ruth an.
    «Ja, ja, ich weiß», unterbricht Maria. «Das war das Blödeste, was ich in meinem Leben getan habe. Das ist das Ergebnis.»
    Mit einer ausladenden Geste schwenkt sie ihre Arme über das unordentliche Zimmer und das ungespülte Geschirr in der Kochnische.
    «Ich krieg es einfach nicht geregelt. Gott sei Dank gibt’s Sozialhilfe. Ein abgebrochenes Studium, ein abgebrochenes Leben.»
    «Was ist passiert? Warum haben Sie, äh, hast du, das getan?», fragt Heike mit sanfter Stimme, ihre blauen Augen kummervoll, die Stirn in Falten. Wenn sie sie so anschaut, erzählt Ruth ihr immer alles. Diese Fähigkeit zur Anteilnahme hat Heike als Lehrerin sehr beliebt gemacht. Jetzt wird sie als Pensionistin in gleicher Weise von ihrem Enkelkind geliebt.»
    Und Maria legt auch gleich los, gewiss hat sie nicht oft Gelegenheit, von sich zu erzählen. Veras Tod habe Michaël nicht so kaltgelassen, wie das ihre Eltern herumerzählen, sagt sie. In Holland habe er es nicht ausgehalten, sei wieder zurückgekommen, habe sich in Salzburg eine Wohnung genommen, in Kirchstätten konnte er sich ja nicht mehr blicken lassen, und nach Veras Tod hatte er dort auch nichts mehr zu suchen. Bei Maria habe sich Michaël ausgeweint, sie sei die Einzige gewesen, die sich nicht von ihm abwandte. Schreckliche Schuldgefühle habe er gehabt, habe sich vollkommen gehenlassen, nicht mehr arbeiten können. Maria habe ihm zugehört, ihn getröstet, ihn aufgefangen.
    «Er war so verzweifelt, ich musste ihn einfach in den Arm nehmen. Mein Gott, er war so jung, die zwei Kinder, das war einfach zu viel Verantwortung. Die Leute hatten irgendwie schon recht, dass sie Vera vor der Beziehung mit Michaël gewarnt haben. Und plumps war ich in derselben Falle. Vor lauter Fürsorge habe ich vergessen, an mich selbst zu denken. Er war so süß, so dünn und zerbrechlich. Er hat nichts mehr gegessen, hat sich buchstäblich verzehrt. Da habe ich ihn aufgepäppelt, er konnte zu mir kommen, wann er wollte, ich war immer für ihn da. Natürlich hatte ich Schuldgefühle, Vera ist ja meine Freundin gewesen. Als sich Michaël von ihr zu lösen begann, habe ich ihr wie alle zugeredet, ihn ziehen zu lassen, sich nur ja nicht an ihn zu klammern. Aber das konnte sie nicht. Sie hatte sich auf ihn eingeschworen: Sie beide gegen die ganze Welt. In dem Haus am See haben sie ja auch sehr abgelegen gewohnt.»
    «Ja, wir sind dort gewesen.»
    «Sie hat gedacht, eine so glückliche Familie hält ewig, muss ewig halten. Und ich habe es ihr nachgemacht, habe meine Bedeutung überschätzt und nur noch für ihn gelebt. Es war ja auch lustig mit ihm, manchmal hat er so schräge Bemerkungen gemacht, da musste man einfach lachen. Was andere über ihn dachten, ist ihm total egal gewesen, er war hundertprozentig von sich überzeugt und dabei so bescheiden, er konnte mit ganz wenig Geld auskommen. Das ist schon eine irre Mischung. Wenn einer so sehr an sich selbst glaubt, dann ist es schwer, sich dem zu entziehen. Gleichzeitig war er verletzlich wie ein Kind, konnte von einem Moment auf den anderen einschnappen und unzugänglich werden. Na ja, bei der Kindheit ist das auch zu verstehen.»
    Was sie über seine Kindheit weiß, wollen wir wissen.
    «Dieses Restaurant, die derben Gäste, die vielen Matrosen. Wer weiß, was da passiert ist. Er musste schon als kleines Kind bei Tisch bedienen. Dunkle Treppen haben ihm immer Angst gemacht. Und Hunde und Zahnärzte. Ich bin ja keine Psychologin, aber

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