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Mein Erzengel (German Edition)

Mein Erzengel (German Edition)

Titel: Mein Erzengel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Fischer
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man macht sich so seine Gedanken. Seine Abwehr gegen Penetration war schon seltsam. Das hab ich noch bei keinem anderen Mann erlebt.»
    «Von wem sind eigentlich die Kinder?», wagt Ruth zu fragen.
    «Die Kinder sind vom Gerhard. Vera hat darauf bestanden, dass sie bei ihr bleiben, als sie sich getrennt haben. Und Michaël war ein famoser Vater.»
    «Kann es sein, dass der Bub von Michaël ist?»
    Ruth hält den Atem an. Maria schaut entgeistert.
    «Aber nein! Das ist unmöglich! Beide sind vom Gerhard. Ich hab nie etwas anderes gehört. Das ginge sich doch gar nicht aus. Er war viel jünger als Vera.»
    «Wann hat Michaël Vera kennengelernt?», bohrt Ruth weiter. «Wie ist er überhaupt nach Österreich gekommen?»
    «Soviel ich weiß, haben seine Eltern immer in Kirchstätten Urlaub gemacht. Da müssen sie sich halt einmal kennengelernt haben. Mehr weiß ich auch nicht. Komisch eigentlich, dass Vera mir das nie erzählt hat.»
    Maria raucht eine Zigarette nach der anderen. Ihre Stimme wird lauter. Sie erzählt, immer wieder von Husten unterbrochen, dass Michaël sie heiraten wollte, sie hätte auch die beiden Kinder zu sich genommen, die Gerhard nicht mehr sehen wollte. Aber dann habe sich ganz Kirchstätten gegen sie verschworen. Im Telefon habe es geknackt, wenn sie mit Michaël telefonierte, und im Badezimmer habe sie eines Tages an der Decke, neben der Lampe, eine Wanze entdeckt. Wenn sie aus dem Haus ging, sei ihr ein Mann gefolgt, immer sei er um sie herumgeschlichen, im Supermarkt, an der Uni, in der Bibliothek. Bald habe sie sich gar nicht mehr aus dem Haus getraut. Aber auch im Haus sei sie nicht sicher gewesen, denn es sei verstrahlt gewesen. Michaël habe um seinen Samen gefürchtet, schließlich wollten sie miteinander ein Kind haben, immer seltener sei er vorbeigekommen. Eines Tages sei ihr dann aufgefallen, dass in Michaëls Ring eine Kamera eingebaut war. Die Bilder, die er mit dieser Kamera aufnahm, habe er an Veras Eltern geschickt. Ihre Situation sei so aussichtslos gewesen, dass Maria am Ende keine andere Möglichkeit gesehen habe, als sich das Leben zu nehmen. Zumal Vera sie gerufen habe, immer öfter habe sie Veras Stimme gehört. Maria habe versucht, Michaël zu überreden, mit ihr zu gehen, so würden sie alle drei wieder vereint sein, aber er habe nicht gewollt.
    Das alles erzählt sie mit fröhlicher Stimme, so, als würde sie über einen Film berichten, den sie kürzlich gesehen hat. Plötzlich bricht sie ab, schaut mit zusammengekniffenen Augen zwischen Ruth und Heike hin und her, und ihre Stimme wird hart.
    «Ihr glaubt mir nicht. Ihr seid von ihm geschickt!»
    Ruth erschrickt, weiß nicht, wie sie sich verhalten soll. Soll sie argumentieren oder so tun, als würde sie ihr die Geschichte glauben? Heike, die Pädagogin, legt ihre Stirn in Falten.
    «Ich bin froh, dass sie dich gerettet haben. Jetzt wirst du nicht mehr verfolgt. Oder?»
    «Nein, jetzt herrscht Totenstille.» Nun klingt Maria wieder normal.
    Unter dem Vorwand, noch heute nach Wien zurückkehren zu müssen, bedanken sie sich und stehen auf, sondern noch ein paar Floskeln ab, um es nicht wie eine Flucht aussehen zu lassen. Doch Maria hält sie nicht zurück.
    «Grüßt Michaël von mir. Sagt ihm, dass ich auf ihn warte.»
    «Machen wir.»
    «Tja», Heike grinst, als sie im nach Urin stinkenden Aufzug nach unten gleiten. «Das hat uns auch nicht weitergebracht.»

14
    Sie liegen im Zimmer auf ihren ländlichen Betten aus hellem Holz und beobachten an der gegenüberliegenden Wand träge das Schattenspiel der untergehenden Sonne.
    Wie mag sich die Geschichte mit Maria tatsächlich zugetragen haben? Dass man in Kirchstätten wütend war, als Michaël nach Salzburg zurückkehrte und sich auf ein neues Abenteuer einließ, noch dazu mit Veras Freundin, ist glaubhaft. Dass er mit Maria ein Kind wollte, es sich dann aber anders überlegte und Reißaus nahm, würde seinem üblichen Verhaltensmuster entsprechen. So überraschend, wie er vorgab, kam ihr Suizidversuch gewiss nicht, er muss ihr Hoffnungen gemacht haben.
    Was hat Ruth mit Vera und Maria gemeinsam? Als habe Heike ihre Gedanken gelesen, unterbricht sie die Stille.
    «Was du an ihm gefunden hast, habe ich nie verstanden.»
    Ruth seufzt.
    «Kannst du dich an eure Hochzeit erinnern?»
    Und ob sie das kann. Mit dem wenigen Geld, das er seinen Eltern abgetrotzt hatte, obwohl er sie dann nicht einmal einlud, veranstalteten sie ein kleines Fest in einem armenischen Restaurant.

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