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Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Titel: Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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überhaupt nicht überzeugt sei. Er sah das nicht nur ähnlich, sondern genauso.
    SCHMIDT:
    Und wann habt ihr erfahren, dass die Franzosen es aus ihren Gründen ähnlich beurteilten?
    FISCHER:
    Es gab eine lange Phase, in der wir sehr unsicher waren, wie sich Frankreich entscheiden würde – eigentlich bis Februar 2003 . Chirac hat im Hinblick auf die innenpolitische Situation bei uns sehr lange eine Festlegung vermieden; im September 2002 standen Bundestagswahlen an, und die Unionsparteien hatten ihm offensichtlich signalisiert, er solle keine Festlegungen treffen. Es gab aber auch Gründe, die in der französischen Diplomatie lagen. Im späten August, während des Wahlkampfes, kam es zu einem Treffen in Hannover im Privathaus von Bundeskanzler Schröder, bei dem Chirac immer noch im Unklaren blieb, und das hat natürlich unsererseits das Misstrauen geschürt. Meine große Sorge war, dass wir am Ende allein im Sicherheitsrat sitzen mit unserer Ablehnung, vielleicht gemeinsam mit den Syrern, und das wäre nicht gegangen. Es ging bis in den Februar 2003 , bis zur Münchner Sicherheitskonferenz; da hat es das Kanzleramt dann geschafft, Putin und Chirac mit uns zusammenzubringen, aber bis dahin war es eine offene Frage.
    SCHMIDT:
    Das heißt, diese Unsicherheitsphase hat mehr als ein halbes Jahr, fast ein Dreivierteljahr gedauert.
    FISCHER:
    Ja. Chirac hat zwar immer in unsere Richtung argumentiert, aber eine definitive Festlegung immer vermieden. Er ging wohl davon aus, dass wir im September 2002 bei den Bundestagswahlen verlieren – es sah ja nicht gut für uns aus.
    SCHMIDT:
    Schröders Rede in Goslar hat ohne Zweifel geholfen.
    FISCHER:
    Ohne Zweifel. Aber ich hätte die Festlegung von Goslar so nicht gemacht; ich glaube, sie war nicht nötig, um die Wahlen zu gewinnen. Was Schröder gemacht hat in Goslar, war zu sagen, egal was der Sicherheitsrat entscheidet, wir sind nicht dabei. Das war der springende Punkt, und wenn wir wirklich isoliert gewesen wären, wären wir in eine …
    SCHMIDT:
    Dann wäre die Regierung auseinandergegangen.
    FISCHER:
    Ich hätte da nicht mitgemacht.
    Die
Zeit:
Wenn der Vizekanzler gesagt hätte »Ohne mich«, wäre Schröder aufgrund seiner vorzeitigen Festlegung sozusagen …
    FISCHER:
    Ich möchte da jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen. Die Lage war die: Wir hatten Koalitionsverhandlungen im Herbst 2002 , und diese Koalitionsverhandlungen sind sehr unglücklich verlaufen. In Wirklichkeit haben alle erwartet, dass die Reformen, die dann im März 2003 unter dem Begriff Agenda  2010 vom Bundeskanzler verkündet wurden, ein Ergebnis der Koalitionsverhandlungen sein würden. Das waren sie aber nicht. Sondern der Bundeskanzler war nach den Bundestagswahlen für seine Verhältnisse nach links gerückt, und da hat er viel an öffentlichem Kredit verloren, sodass am Ende sein Nein zum Irakkrieg der einzige Nagel war, an dem seine Glaubwürdigkeit hing. Da konnte er nicht von weg, unter keinen Umständen, das hätte ihn politisch jeden Kredit gekostet. Andererseits, Deutschland zu isolieren hätte bedeutet, in eine Lage zu geraten, in der wir seit 1949 nicht gewesen waren. Gegen alle unsere westlichen Partner zu stimmen, war nicht möglich.
    DIE ZEIT:
    Die Situation im Vorfeld des zweiten Irakkrieges hat deutlich gemacht, dass die Europäische Union nicht handlungsfähig war. Auf der einen Seite Schröder und Chirac, auf der anderen Seite die »Koalition der Willigen«, wie die Amerikaner das nannten, Blair, Aznar, Berlusconi, die Polen. Europa war gespalten. Ist die Europäische Union außen- und verteidigungspolitisch überhaupt handlungsfähig?
    SCHMIDT:
    Nein, das ist sie nicht. Sie ist es nicht mehr gewesen seit Maastricht.
    DIE ZEIT:
    Wie kann sie es wieder werden?
    SCHMIDT:
    Das kann sie nicht wieder werden, weil sie dazu die Verträge ändern müsste. Die Änderung der Verträge ist unausweichlich, aber in diesem Jahrzehnt wird sie nicht mehr zustande kommen. Es gibt im Lissabonner Vertrag die Klausel, dass es unter bestimmten erheblich einschränkenden Bedingungen erlaubt ist, dass einzelne Mitglieder miteinander verabreden können, enger zusammenzuarbeiten. Auf der Grundlage dieser Klausel ist eine ganze Menge an gemeinsamer Finanzpolitik denkbar. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik auf Basis dieser Klausel ist sehr unwahrscheinlich.
    FISCHER:
    Aber es ginge, denn es gibt eine Extraklausel im verteidigungspolitischen Bereich, der eine strukturierte Zusammenarbeit

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