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Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Titel: Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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Subventionen zugunsten der nationalen Industrien steht. Das reicht von der Milch bis zum Stahl und von den Textilien bis zu den Autos und zur Elektronik.
    Jeder weiß, dass dies so nicht andauern darf, zumal ab 1985 die Vereinigten Staaten von Amerika auf diese Weise zu einem Nettoschuldnerstaat werden, der seinerseits seine Schulden nur bedienen kann, wenn er Handelsüberschüsse erzielt, nicht Handelsdefizite von 140 Milliarden Dollar im Jahr.
    Aus all diesen Gründen ist eine schnelle und weitreichende Rückführung der alljährlichen und allmonatlichen Haushaltsdefizite in dieser wichtigsten Volkswirtschaft der Welt notwendig. Es wird aber gegenwärtig und bis zur Sommerpause nur ein symbolischer Schritt geschehen.
    Die europäischen Regierungen haben sich mit ihrer Forderung nach Defizitsenkung und mit ihrer Forderung nach Zinssenkung in den USA in London abermals auch deshalb nicht durchsetzen können, weil sie auch ansonsten in London nicht einheitlich auftreten konnten.
    Natürlich ist dies alles, was ich sage, keine Kritik an dem stabilen und zuverlässigen geldpolitischen Kurs der amerikanischen Notenbank, ganz im Gegenteil.
    Es gibt übrigens in den Vereinigten Staaten von Amerika auch durchaus lobenswerte Beispiele, an denen wir Europäer uns orientieren sollten, zum einen eine sehr hohe unternehmerische Leistung: Viele Unternehmen sind mit völlig neuen Produkten und Dienstleistungen an den Markt gekommen, Millionen neuer Arbeitsplätze sind von Unternehmen geschaffen worden, die erst im Laufe der allerletzten Jahre für neue Produktionen neu gegründet worden sind; ein gutes Beispiel für uns in Europa, in Deutschland genauso wie in Frankreich und anderswo. Und zum anderen: eine sehr hohe Mobilität der Arbeitnehmer, von einem Beschäftigungsort zum anderen, von einer Branche in eine andere, von einem alten Arbeitsplatz in einen völlig anderen, neuen Arbeitsplatz mit völlig anderen Anforderungen. Aus diesen beiden Beispielen können die europäischen Unternehmer und die europäischen Arbeitnehmer manches lernen.
    Mit Hass und mit Bitterkeit geführte Arbeitskämpfe helfen dabei wenig. Aber für die, die hier klatschen, sei gesagt: Natürlich muss auch einmal gestreikt werden, meine Damen und Herren. Eine Demokratie – wenn ich das der Christlich Demokratischen Union sagen darf – ohne jeden Streik ist vermutlich gar keine Demokratie. Sie müssen sich ins Bewusstsein heben, dass es sich bei den mit einem Streik verbundenen Schäden in Wirklichkeit um Verschleißkosten einer freiheitlich verfassten demokratischen Gesellschaftsordnung handelt.
    Aber wenn dies gesagt ist, dann muss man hinzufügen dürfen: Eine Regierung durfte nicht und darf auch in Zukunft nie, Herr Bundeskanzler, mit all ihrer staatlichen Einflussmacht sich für die eine Seite eines Arbeitskampfes in die Bresche werfen, nachdem sie unmittelbar vorher der anderen Seite schon empfindlich und einseitig die Sozialleistungen gekürzt hatte, und dann noch hoffen, dass der Sozialdemokrat Georg Leber ihr die Kastanien aus dem Feuer holt.
    Die Sozialdemokraten geben ihrem Freunde Leber recht: Seine Vorschläge anzunehmen, verlangt Mut von beiden Seiten; aber sie abzulehnen erforderte noch unendlich viel mehr Mut – denn was käme wohl danach?
    Übrigens, auch das an die rechte Seite des Hauses gesagt – es gibt in den USA – das wollte ich Ihnen sagen – natürlich auch eine Wirtschaftsstrukturpolitik.
    Der neue Wirtschaftsminister, der soeben eingeschworen wurde [Martin Bangemann], sollte die Mahnung unseres scheidenden Bundespräsidenten Carstens ernst nehmen. Herr Carstens hat dazu aufgerufen, die wirtschaftliche Erneuerung des Ruhrgebiets für eine Reihe von Jahren zu einer nationalen Aufgabe zu machen. Das gilt doch nicht nur für die Ruhr. Ähnliches gilt doch für eine Hälfte Belgiens, für Nordfrankreich, für wichtige Teile Hollands, für Mittelengland ganz genauso. Die ganze Europäische Gemeinschaft muss begreifen, dass die strukturelle Erneuerung der Gebiete der alten Schornsteinindustrie mit ihren steigenden Arbeitslosenzahlen unendlich viel wichtiger wäre als die Reglementierung von Preisen für Hühner- und Schweinefutter.
    Graf Lambsdorff hat gegenüber solchen Problemen immer die Marktwirtschaft hochgehalten, und er hat sich als Marktgraf wacker geschlagen.
    In den letzten dreieinhalb Jahren, Graf Lambsdorff, habe ich Ihnen allerdings in zunehmendem Maße nicht mehr folgen können. Aber ich will übrigens auch sagen,

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