Mein feuriges Herz
Corrie bebend, während Gray tröstend den Arm um ihre Schultern legte.
„Sie bringt ihn gleich“, brummte die Witwe.
Und dann schlurfte eine fette Frau in einer Schürze herein, mit einem in eine schmutzige Decke gewickelten Baby in ihren feisten Armen.
„Das ist er … Joshua.“ Sie drückte das Kind an ihren mächtigen Busen.
„Wir müssen ihn uns ansehen“, sagte Gray.
Die Frau öffnete die Decke, und zum Vorschein kam ein Säugling mit blonden Haaren und braunen Augen. Kleiner als Corrie ihn sich vorgestellt hatte, mit dünnen Ärmchen und einem winzigen, grauen Gesicht, in dem die Augen riesig wirkten. Es war zu schwach, um das Köpfchen zu heben.
Mit zitternden Fingern schob Corrie die Decke weiter von den kleinen mageren Schultern. Und dann sah sie es: Laurels Muttermal an seiner linken Schulter. Corrie schossen die Tränen in die Augen.
„Geben Sie ihn mir“, forderte sie schroff.
„Nicht bevor ich das Geld habe.“
„Sie bekommen Ihr Blutgeld“, entgegnete Corrie in mühsam beherrschtem Zorn und blickte zu Gray. Er reichte der Frau einen Beutel mit Goldmünzen und einen Bankscheck für die Belohnung, erst dann händigte sie Coralee das Baby aus.
„Es wird alles gut, mein Schätzchen.“ Sie hauchte einen Kuss auf die Stirn des Babys und wiegte es in den Armen. „Jetzt kommst du heim, und niemand wird dir je wieder etwas antun.“
Eilig verließen sie das Haus und bestiegen die Kutsche. Corrie warf die schmutzige Decke aus dem Fenster, und Gray half ihr, das Baby in die weiche Decke zu hüllen, die Samir auf dem Sitz bereitgelegt hatte.
Das Baby schien sich in die wohlige Wärme zu kuscheln, und Corrie wurde das Herz weit. „Er hat das Muttermal meines Vaters“, sagte sie leise, als der Wagen durch die schmutzigen Gassen in Richtung Mayfair rollte. „Ich bin sicher, dass er Joshua Michael ist.“ Sie wiegte das Kind in den Armen, hauchte Küsse auf seine Wangen und gurrte ihm tröstliche Worte ins Ohr.
Sie wandte sich Gray zu, und die Zärtlichkeit, mit der er das Baby ansah, berührte sie tief.
„Er darf nicht sterben, Gray. Ich könnte es nicht ertragen, wenn wir auch dieses Kind verlieren.“
Behutsam zog er die Decke über das Köpfchen. „Joshua wird leben. Jetzt hat er eine liebevolle Familie. Er wird groß und stark werden.“
Ihr Herz weitete sich vor Liebe zu ihrem Ehemann. Und sie liebte bereits den kleinen Jungen in ihren Armen, lehnte sich in den Polstersitz zurück, wiegte den Säugling sanft und hauchte ihm zarte Küsse auf die Stirn.
Ich habe deinen Sohn gefunden, flüsterte sie Laurel in Gedanken zu. Nun kann deine Seele Frieden finden.
Ruhelos ging Gray auf und ab. Es drängte ihn abzureisen, denn er hatte etwas mit Thomas Morton zu erledigen – etwas sehr Persönliches. So persönlich, dass er weder Dolph noch seine Familie davon unterrichtet hatte. Er wollte Morton unter vier Augen sprechen, wollte hören, was in jener Nacht, in der Laurel Whitmore ermordet wurde, geschehen war. Und er wollte mit eigenen Augen sehen, wie der Verbrecher in Ketten abgeführt wurde.
Morton hatte zumindest das Verbrechen begangen, ein unschuldiges Baby zu entführen und es seiner Familie wegzunehmen. Gray glaubte außerdem, dass er der Mann hinter den Anschlägen auf Coralees Leben war.
Allein für diese schlimmen Schandtaten wollte Gray ihn hängen sehen.
Aber er durfte die Stadt noch nicht verlassen. Er musste an Coralee denken und an das Wohlergehen von Charles’ Sohn. Ohne die beiden würde er nicht abreisen. Er durfte das Risiko nicht eingehen, dass Morton möglicherweise einen weiteren Plan hatte, um Coralee zu beseitigen.
Auch Coralee drängte es, abzureisen. Sie wollte Charles seinen Sohn bringen und wollte Gerechtigkeit für ihre Schwester. Den ganzen Tag und die Nacht hatte sie mit Mrs. Lawsen am Bettchen des Säuglings verbracht. Die Amme hatte ihn immer wieder gestillt, und Coralee hatte ihn in den Armen gewiegt und ihm leise Wiegenlieder vorgesungen.
Nun schlief sie, würde aber gewiss nicht lange ruhen, aus Sorge um den Kleinen, dem sie das geben wollte, was er so lange entbehrt hatte. Liebe.
Gray verspürte einen merkwürdigen Druck in der Brust. Sie wäre eine wunderbare Mutter, und sie wünschte sich ein Kind von ihm. Vielleicht hatte sie bereits empfangen. Gray beugte sich über die Wiege, die Samir auf dem Speicher gefunden hatte, und betrachtete versonnen das schlafende Kind.
Als Coralee eintrat, richtete er sich auf und lächelte. Sie sah
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