Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein feuriges Herz

Mein feuriges Herz

Titel: Mein feuriges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kat
Vom Netzwerk:
das Gefühl nicht los, Laurel könne sich wohl kaum zu einem finsteren Mann wie dem Earl hingezogen gefühlt haben.
    Sie hatte ein so sanftes, liebenswertes Wesen gehabt, im Gegensatz zu dem düsteren, herrischen Tremaine.
    Corrie dachte an seine Kindheit. Grays Mutter war gestorben, als er zehn war, und er wuchs mit einem Vater auf, der möglicherweise den Verdacht hatte, er sei nicht sein leiblicher Sohn. War Gray als Kind misshandelt worden? War er zum Militär gegangen, um seinem lieblosen Vater zu entfliehen?
    Und was war mit seiner Ehefrau?
    Rebecca hatte behauptet, Gray sei nicht zur Liebe fähig, und dennoch hatte die schöne Jillian ihn geheiratet. War er in irgendeiner Weise verantwortlich für ihren Tod? War das der Grund für seine Schuldgefühle?
    Corrie wanderte die langen Buchreihen entlang, nahm gelegentlich einen Band heraus und blätterte darin. Eine Abteilung enthielt klassische römische Literatur, darunter auch Virgils Äneas sowie das sechsbändige Lehrgedicht von Lukrez Über die Natur der Dinge , De Rerum Natura, in lateinischer Sprache. Beide Werke hatte Corrie mit großem Interesse gelesen. Sie war gerne zur Schule gegangen, eine aufmerksame und fleißige Schülerin gewesen. Ihr Vater hatte ihren Lerneifer gefördert, sich über gesellschaftliche Gepflogenheiten hinweggesetzt und die besten Privatlehrer für sie ins Haus geholt.
    Sie wandte sich der nächsten Abteilung zu, zog einen Band heraus und schlug ihn auf: Homers Odyssee . Auch dieses Buch hatte sie vor Jahren gelesen, das epische Werk des griechischen Dichters Homer, das die Abenteuer und Irrfahrten von Odysseus und seiner Gefährten schildert. Diese Lektüre hatte sie in ihrem Wunsch bestärkt, einmal selbst zu schreiben. Sie las den ersten der vierundzwanzig Gesänge, in Hexametern verfasst, und vertiefte sich so sehr darin, dass sie die schweren Schritte des Earls, gedämpft durch den Orientteppich, nicht hörte.
    „Haben Sie etwas Interessantes gefunden?“ Ohne Umschweife nahm er ihr das Buch aus der Hand und las den in Goldlettern geprägten Titel auf dem Rücken. „Die Odyssee ?“ Er zog die Brauen hoch. „Sie lesen Griechisch?“
    Grundgütiger. „Ich … ich … habe mir nur die Schrift angesehen. Die Buchstaben sehen so fremd aus.“
    Er wandte sich ab und stellte das Buch wieder an seinen Platz. „Sie halten sich in der Bibliothek auf, also nehme ich an, Sie lesen gerne. Was lesen Sie denn gerne?“
    Ich bin Letty Moss, rief sie sich in Erinnerung, eine arme Verwandte vom Land. „Ich … nun … eigentlich lese ich nicht viel. Ich blättere gern in Frauenzeitschriften … Modejournale und so etwas.“ Sie blickte mit einem strahlenden Lächeln zu ihm auf. „Weil mir die Bilder gefallen.“
    Gray nickte, als überrasche ihn das keineswegs. Sein herablassender Blick kränkte sie mehr als jede abfällige Bemerkung.
    „Rebecca hat sicher ein paar Modezeitschriften für Sie“, meinte er. „Fragen Sie beim Abendessen danach.“
    „Ja, danke, das tue ich.“
    Er stand da, hochgewachsen, dunkel und imposant, und wartete darauf, dass sie ging.
    „Gelegentlich lese ich auch gerne Gedichte“, erklärte sie, um einen Vorwand zu haben, länger zu bleiben. „Vielleicht finde ich einen Gedichtband. Es stört Sie doch nicht, wenn ich noch bleibe?“
    Er studierte ihr Gesicht. „Nein.“
    Sie behielt ihr honigsüßes Lächeln bei und wartete, dass er ging. Sobald er verschwunden war, machte sie sich an die Arbeit. Sie durfte keine Zeit vertrödeln, wollte wissen, was die Schubladen des wuchtigen Schreibtisches enthielten. Sobald sich die Gelegenheit bot, würde sie auch Lord Tremaines Arbeitszimmer durchsuchen, ein gefährliches Unterfangen und gewiss nicht für den helllichten Tag geeignet.
    Hastig zog Corrie die Schubladen auf, fand vergilbte Papiere, einen Federhalter mit abgebrochener Spitze, ein ausgetrocknetes Tintenfass und ein paar alte Bücher, aus denen Seiten herausgerissen waren, und wunderte sich, wieso der Earl die Bücher nicht weggeworfen hatte. Andererseits könnte auch Charles die Bücher aufbewahrt haben, der ihr gefühlsbetonter erschien als sein älterer Bruder.
    Corrie begab sich wieder an die Bücherschränke. Laurel hatte Gedichte geliebt. Hatten die Liebenden sich in dieser Bibliothek Gedichte vorgelesen? Oder hatten sie sich nur in einem heimlichen Versteck im Wald getroffen, wie so manche Liebespaare?
    Im obersten Regal entdeckte sie eine Reihe schmaler Buchrücken, die ihr Interesse weckten. Sie

Weitere Kostenlose Bücher