Mein Flirt mit der Blutfrau
»aber ich muß mit Ihnen sprechen. Señora Pinosa.«
»Ich nicht mit Ihnen.«
»Doch, Sie hören mir zu!« Die Stimme der Frau hatte einen anderen Klang bekommen. Er war viel härterund schärfer geworden, so daß Esmeralda erschrak.
»Wie reden Sie überhaupt mit mir?«
»Es geht um Juan.«
»Das habe ich mir gedacht. Von mir wollen Sie ja nichts, aber von dem jungen, den machen Sie fertig, den wollen Sie verführen, Sie… Sie Hexe, Sie…«
»Hexe?« Lavinia di Luna lachte. »Das Wort ist gut. Es gefällt mir sogar, wirklich.«
Esmeralda kam in Form. Ihre Augen blitzten, das Gesicht war rot angelaufen. »Ich könnte noch schlimmere Dinge zu Ihnen sagen.«
»Dann tun Sie es.«
»Nein, der Anstand verbietet es mir. Ich habe mir im Leben nichts zuschulden kommen lassen und habe auch versucht, Juan eine Erziehung und eine Heimat zu geben. Aber nicht für den Preis, daß eine Frau wie sie kommt und den Jungen aus einer Laune heraus als Spielzeug benutzt. Jetzt wissen Sie, was ich meine.«
»Als Spielzeug?« erwiderte Lavinia lachend. »Nein, Señora, da irren Sie sich gewaltig.«
»Als was dann?«
»Ich bin Ihrem Neffen dankbar.«
»Hohoho…« Sie schüttelte den Kopf. »Meinem Neffen dankbar. Für was denn?«
»Das würden Sie nicht verstehen. Es geht außerdem nur uns beide etwas an.«
»Solange der Junge in meinem Haus lebt, habe ich über ihn zu bestimmen. Merken Sie sich das.«
»Ich glaube nicht.«
»Doch!«
Lavinia di Luna schaute die Frau aus ihren blauen Augen an. In den Pupillen lag eine eisige Kälte. »Dann sind Sie nicht bereit, mit mir zu kooperieren?«
»Auf keinen Fall!«
»Schade.« Lavinia hob die Schultern. »Es ist wirklich schade.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Für Juan jedenfalls wäre es besser, viel besser sogar.«
»Da irren Sie sich, Señora. Jetzt müssen Sie auch die Folgen dessen tragen, was Sie mir eben gesagt haben.«
»Welche Folgen?« fragte Esmeralda spöttisch.
»Sie werden sehen.« Lavinia di lama spreizte ihren rechten Arm an und die Finger der Hand in die unmittelbare Nähe eines Wäschelakens, das sie einen Moment später berührte.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen das…« Esmeralda sprach nicht mehr weiter. Sie konnte nur starren, staunen und war wie vor den Kopf geschlagen.
Die dunkelhaarige Frau dachte nicht im Traum daran, ihrem Wunsch nachzukommen. Im Gegenteil, sie hob den rechten Arm, fuhr mit den Fingerkuppen über das Laken und hinterließ rote, lange, dünne Streifen. Blutfäden…
Sie zeichnete ein schauriges Muster auf das Weiß des Lakens. Die Striche liefen schräg von oben nach unten. Da Lavinia sich nicht tief bücken wollte, setzte sie beim zweiten Laken die Hand erneut an einer hohen Stelle an.
Und wieder zeichnete sie das Muster…
Esmeralda Pinosa konnte nicht sprechen. Das Blut schien aus den Fingerkuppen der Frau zu strömen, und es hörte einfach nicht auf. »Was… was ist das?«
»Blut, Señora, mein Blut…« Sie lächelte kalt und ging mit einem forschen Schritt auf Esmeralda zu. Sie blieb so dicht vor ihr stehen, daß sie sich fast berührten. »Nun?«
»Was wollen Sie?«
»Juan will ich. Ich habe ihn auch schon.« Sie berührte die linke Wange der schreckensstarren Frau. Auch dort hinterließ sie ihre Spuren. Das war nicht alles.
Plötzlich packte sie zu. Ihr Gesicht veränderte sich, und Esmeralda Pinosa erlebte das Grauen.
Sie sah, daß sich die Person vor ihr veränderte, aber sie konnte es nicht fassen.
Dann wurde sie zu Boden gedrückt.
Die nächsten Sekunden wurden zu einer Hölle. Lavinia di Luna zeigte ihr wahres Gesicht.
Das war mehr als furchtbar…
Irgendwann erstarb jeder Laut auf diesem kleinen Speicherraum. Erst später, Mitternacht war schon vorüber, erklangen wieder Schritte auf der Treppe.
Sie gingen von oben nach unten, durchquerten anschließend die Räume im Parterre, dann wurde die Haustür vorsichtig geöffnet. Ein kurzer Blick nach links und rechts. Die Luft war rein.
Ein heimlicher Beobachter hätte sehen können, daß zwei Personen das Haus verließen.
Die eine ging normal, die andere jedoch lag über der Schulter der normal Laufenden, und sie bewegte sich nicht mehr, das hatten Tote so an sich…
***
Ich hatte wunderbar geschlafen und wurde von einer herrlichen Morgensonne geweckt. Der Wein hatte bei mir auch keinen dicken Kopf hinterlassen, und den wirklich letzten Rest von Müdigkeit vertrieb eine Fünf-Minuten-Dusche.
Mir die Haare abtrocknend, betrat ich den Balkon,
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