Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
nichts erreicht. Er verlängerte nur seine Qualen. Denn sein Mörder besaß die Geduld eines Ungeheuers. Drei, vier Sekunden verstrichen in quälender Ungewißheit für Tim Foyle. Dann erst krachte der Schuß. Er traf das unglückliche Opfer mitten in die Stirn. Der Mörder konnte sich im Nebel entfernen, ohne daß jemand eine Spur von ihm gewahrte. Tim Foyle aber sank langsam in die Tiefe, wurde Stunden später von der Strömung an Land gespült und gegen Mittag von einer Polizeistreife aufgefunden.
15
Cecil Levan, der bekannte Asienforscher, saß an diesem Abend ganz allein in seinem Arbeitszimmer und schrieb an seinen neuesten Berichten für die Zeitungen. Das Haus lag still. Von der Halle drang kein Geräusch herein. Auch im Zimmer selbst war kaum ein Laut zu vernehmen, vom Knacken der Buchenscheite im Kamin abgesehen. Die Schreibtischlampe verbreitete einen matten Schein. Die Ecken des Raumes blieben im Dunkel. Cecil Levan feilte gerade an einem wesentlichen Satz herum, als unten die Hausglocke anschlug.
Es wird Pancras Eversley sein, dachte er. Er kommt meist erst zu so später Stunde nach Hause. Möchte nur wissen, wo er sich die halben Nächte um die Ohren schlägt.
Ceoil Levan drückte zerstreut auf den elektrischen Türöffner. Er hörte ein leises Summen aus der Halle. Die Tür wurde grob aufgestoßen. Dann stampften schwerfällige Schritte durch die Halle.
Cecil Levan horchte erstaunt auf. Das konnte doch nie und nimmer Pancras Eversley sein. Sein Gang war viel leiser und geschmeidiger. Des Rätsels Lösung ließ nicht lange auf sich warten. Noch ehe sich Cecil Levan von seinem Erstaunen erholt hatte, öffnete sich die Tür seines Arbeitszimmers.
Ein plumper Schatten trat in den Lichtkreis der Lampe. Ein merkwürdig ungelenker, regloser Schatten. Cecil Levan starrte auf den Schatten, als sähe er ein Gespenst. Eine wächserne Farbe zog langsam über sein Gesicht.
„Was wollen Sie denn hier?“ fragte er beklommen. „Ich habe Sie doch schon einmal abgewiesen. Ich reiche meine Hände zu keinem Verbrechen, das sollten Sie längst wissen. Verlassen Sie sofort das Haus. Ich zähle bis drei. Dann rufe ich die Polizei an . . .“
„Die Polizei“, höhnte der Besucher mit häßlichem Lachen. „Das werden Sie nicht tun, Mr. Levan. Sie sind nicht so unschuldig, wie Sie gern sein möchten. In Singapore haben Sie jedenfalls am Anfang einen kleinen Nebenverdienst . . .“
„Schweigen Sie!“ brauste Cecil Levan zornig auf. „Sie können mich nicht erpressen. Scheren Sie sich weg. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich sofort die Polizei rufe . . .“
Der Fremde kehrte sich nur wenig an seine Drohungen. Er ließ wieder sein häßliches Gelächter hören, dann ging er hinaus in die Halle und warf krachend die Tür hinter sich zu. Cecil Levan horchte verstört seinen Schritten nach. Sie hielten nicht auf das Portal zu, sondern tappten die Treppe hinauf. Vier, fünf Minuten Stille....
Dann kehrten die Schritte wieder zurück. Jetzt erst näherten sie sich dem Ausgang. Gleich darauf fiel die Portaltür ins Schloß. Cecil Levan hatte sich nur mit äußerster Mühe solange beherrscht. Aber jetzt litt es ihn nicht länger auf seinem Stuhl. Er sprang polternd auf, hastete aus dem Zimmer, eilte durch die Halle auf die Treppe zu. Auf der untersten Stufe stand er plötzlich seiner Tochter gegenüber.
„Hast du nicht eben einen Besucher empfangen?“ fragte er mit zornrotem Gesicht.
Ruth Levan hob erstaunt die Augenbrauen. „Nein, Dad“, sagte sie unschuldig. „Wie sollte ich?“
„Lüg mir doch nicht so frech ins Gesicht“, polterte Cecil Levan los. „Natürlich hast du diesen Schurken aufgenommen. Wohin sollte er denn sonst gegangen sein? Dein Herr Bräutigam ist ja gar nicht im Haus.“
„Aber Dad“, beruhigte ihn Ruth Levan schmeichelnd. „Mach dir doch keine unnötigen Sorgen.“ „Ich jage euch weg“, schrie Cecil Levan in höchster Erregung. „Euch alle beide. Ich will mein Haus sauber halten. Ich dulde keine schmutzigen Geschäfte.“
„Seltsam“, meinte Ruth Levan mit leichtem Spott. „Früher warst du nicht immer so energisch. Als wir damals in Singapore ankamen, waren wir arm wie Kirchenmäuse. Dia hast du dir ganz gern ein paar Kröten nebenbei verdient. Und wäre nicht Ray Mortimer dazwischen . . .“
„Schluß“ schrie Cecil Levan außer sich vor Zorn. „Ich will nichts mehr davon hören. Wenn noch einmal ein verdächtiger Besucher dieses Haus betritt, kannst du deine
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