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Mein Freund Jossele

Mein Freund Jossele

Titel: Mein Freund Jossele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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warum.
    »Höre«, sagte ich zu Jossele. »Was wäre geschehen, wenn ich 14 gedacht hätte?«
    »Dann hätte ich verloren. Das ist ja der Reiz des Pokerspiels, dass man nie wissen kann, wie es ausgeht. Aber wenn deine Nerven fürs Hasardieren zu schwach sind, dann sollten wir vielleicht aufhören.«
    Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, legte ich zehn Agoroth auf den Tisch. Jossele tat desgleichen.
    Ich dachte sorgfältig über meine Ziffer nach und kam mit 18 heraus.
    »Verdammt«, sagte Jossele. »Ich hab' nur 17.«
    Mit zufriedenem Lächeln strich ich das Geld ein. Jossele hatte sich wohl nicht träumen lassen, dass ich mir die Tricks des jüdischen Pokers so rasch aneignen würde. Er hatte mich wahrscheinlich auf 15 oder 16 geschätzt, aber bestimmt nicht auf 18. Jetzt, in seinem begreiflichen Ärger, schlug er eine Verdoppelung des Einsatzes vor.
    »Wie du willst«, sagte ich und konnte einen kleinen Triumph in meiner Stimme nur mühsam unterdrücken, weil ich mittlerweile auf eine phantastische Ziffer gekommen war: 35!
    »Komm heraus«, sagte Jossele.
    »35!«
    »43«!«
    Damit nahm er die vierzig Agoroth an sich. Ich fühlte, wie mir das Blut zu Kopf stieg. Meine Stimme bebte: »Darf ich fragen, warum du vorhin nicht 43 gesagt hast?«
    »Weil ich mir 17 gedacht hatte«, antwortete Jossele indigniert. »Das ist ja eben das Aufregende an diesem Spiel, dass man nie -«
    »Ein Pfund«, unterbrach ich trocken und warf eine Banknote auf den Tisch. Jossele legte seine Pfundnote herausfordernd langsam daneben. Die Spannung wuchs ins Unerträgliche.
    »54«, sagte ich mit gezwungener Gleichgültigkeit. »Zu dumm!« fauchte Jossele. »Auch ich habe mir 54 gedacht. Gleichstand. Wir müssen noch einmal spielen.«
    In meinem Hirn arbeitete es blitzschnell. Du glaubst wahrscheinlich, dass ich wieder mit 11 oder etwas Ähnlichem herauskommen werde, mein Junge! Aber du wirst eine Überraschung erleben ... Ich wählte die unschlagbare Ziffer 69 und sagte, zu Jossele gewendet: »Jetzt kommst einmal du als erster heraus, Jossele.« »Bitte sehr.« Mit verdächtiger Eile stimmte er zu. »Mir kann's recht sein. 70!«
    Ich musste die Augen schließen. Meine Pulse hämmerten, wie sie seit der Belagerung von Jerusalem nicht mehr gehämmert hatten.
    »Nu?« drängte Jossele. »Wo bleibt deine Ziffer?« »Jossele«, flüsterte ich und senkte den Kopf.
    »Ob du's glaubst oder nicht: ich hab' sie vergessen.«
    »Lügner!« fuhr Jossele auf. »Du hast sie nicht vergessen, ich weiß es. Du hast dir eine kleinere Ziffer gedacht und willst jetzt nicht damit herausrücken! Ein alter Trick! Schäm dich!«
    Am liebsten hätte ich ihm die Faust in seine widerwärtige Fratze geschlagen. Aber ich beherrschte mich, erhöhte den Einsatz auf zwei Pfund und dachte im gleichen Augenblick »96« - eine wahrhaft mörderische Ziffer.
    »Komm heraus, du Stinktier!« zischte ich in Josseles Gesicht.
    Jossele beugte sich über den Tisch und zischte zurück: »1683!«
    Eine haltlose Schwäche durchzitterte mich.

    »1800«, flüsterte ich kaum hörbar.
    »Gedoppelt!« rief Jossele und ließ die vier Pfund in seiner Tasche verschwinden.
    »Wieso gedoppelt? Was soll das heißen?!«
    »Nur ruhig. Wenn du beim Poker die Selbstbeherrschung verlierst, verlierst du Hemd und Hosen«, sagte Jossele lehrhaft. »Jedes Kind kann dir erklären, dass meine Ziffer als gedoppelte höher ist als deine. Und deshalb -«
    »Genug!« schnarrte ich und schleuderte eine Fünfpfundnote auf den Tisch. »2000!«
    »2417!«
    »Gedoppelt!« Mit höhnischem Grinsen griff ich nach dem Einsatz, aber Jossele fiel mir in den Arm.
    »Redoubliert!« sagte er mit unverschämtem Nachdruck, und die zehn Pfund gehörten ihm. Vor meinen Augen flatterten blutigrote Schleier.
    »So einer bist du also«, brachte ich mühsam hervor. »Mit solchen Mitteln versuchst du mir beizukommen! Als hätte ich's beim letztenmal nicht ganz genau so machen können.«
    »Natürlich hättest du's ganz genau so machen können«, bestätigte mir Jossele. »Es hat mich sogar überrascht, dass du es nicht gemacht hast. Aber so geht's im Poker, mein Junge. Entweder kannst du es spielen, oder du kannst es nicht spielen. Und wenn du es nicht spielen kannst, dann lass die Finger davon.«
    Der Einsatz betrug jetzt zehn Pfund.
    »Deine Ansage, bitte!« knirschte ich.
    Jossele lehnte sich zurück und gab mit herausfordernder Ruhe seine Ziffer bekannt: »4.«
    »100.000!« trompete ich.
    Ohne das geringste Zeichen von Erregung

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