Mein Freund Tutenchamun, Band 2: Grabräuber (German Edition)
Reise hinter sich zu bringen, war der Lotse plötzlich nicht mehr auffindbar.
Er war wie vom Erdboden verschluckt.
Zuerst wurde angenommen, dass er sehr wahrscheinlich Verwandte in einem der benachbarten Dörfer hatte, die er besuchen wollte und das er sich deswegen nur verspätet hatte.
Als die Papyrus-Schiffe reisefertig waren und selbst der Pharao bereits unter seinem Sonnendach auf der Königsbarke saß, war Maatmosis allerdings noch immer nicht wieder aufgetaucht. Tjesem lag hingegen ruhig bei Herkos und schmiegte sich an dessen Knie. Dass der Lotse nicht mehr an Bord war, schien ihn zu beruhigen.
Haremhab wandte sich an Tutenchamun. „Der Steuermann hat mir gesagt, dass der Lotse ohnehin nicht besonders gut Bescheid wusste und er sich schon gefragt hat, weshalb man uns einen so ahnungslosen Stümper geschickt hat. Er schlägt vor, dass wir einfach weitersegeln.“
„Es beunruhigt mich, dass dieser Maatmosis einfach so verschwunden ist!“, gab Tutenchamun zu. „Wir werden immer noch pünktlich zu den Begräbnisfeiern zu ehren des Wesirs Ahmose kommen, wenn wir noch ein oder zwei Stunden warten... Mit einem Lotsen zu reise ist doch letztlich einfach sicherer, auch wenn wir das Glück haben, eine erfahrenen Steuermann für die königliche Barke zu haben!“
„Ich glaube, Ihr werdet vergeblich warten“, meinte Haremhab.
„Dann schickt ein paar Eurer Soldaten in die Nachbardörfer! Wenn sie unverrichteter Dinge zurückkehren, brechen wir auf!“
Haremhab verneigte sich. „Wie Ihr wünscht, Herr.“
Nachdem der Befehlshaber sich in seiner prächtigen Rüstung zurück an Land begeben hatte und Pentafer herbeirief, wandte sich Tutenchamun an Herkos. „Die großen Entscheidungen lassen mich Eje und Haremhab nicht allein treffen. Gegen wen Ägypten Krieg führt und ob die Steuern erhöht werden, damit wir genügend Soldaten ausrüsten können, entscheiden die beiden. Aber dafür lassen sie mir bei den kleinen Dingen meistens meinen Willen!“
Die Soldaten, die Haremhab ausschickte, kehrten unverrichteter Dinge zurück. Maatmosis war nirgends zu finden gewesen. Und es gab auch niemanden in der Gegend, der mit ihm verwandt oder bekannt war.
„Eigenartig“, meinte Tutenchamun als Haremhab sich zu Eje in den vorderen Teil der Königsbarke begeben hatte.
„Vielleicht sollten deine Diener mal überprüfen, ob vielleicht irgend etwas fehlt!“, schlug Herkos vor.
„Du meinst, dieser Lotse könnte ein Dieb gewesen sein?“
„Wäre doch eine Möglichkeit!“
„Aber er hatte das richtige Amulett und an dem Brief war auch nichts auszusetzen!“
„Wer es wagt den Pharao zu bestehlen, der hätte sicherlich auch keine Schwierigkeiten, das Siegel des Wesirs an sich zu bringen!“, mischte sich jetzt Anchesenamun ein.
Sie waren schon einige Zeit auf dem Wasser. Die Barke des Pharao segelte zusammen mit ihren Begleitschiffen nach Süden. Der Wind war stetig und gerade kräftig genug, um die Segel zu blähen und dafür zu sorgen, dass die entgegengesetzte Strömung überwunden wurde und man gut vorankam. Plötzlich schrie eine der Dienerinnen, die zum Gefolge des Pharaos gehörten, schrill auf.
Herkos schreckte auf, dann sah er, wie sich die Barke in der Mitte teilte. Ein Licht entstand und wurde rasch größer. Flusswasser spülte ihm wenig später um die Füße.
Einige Diener, Soldaten, Köche und Schreiber sprangen gleichzeitig von ihren Plätzen auf und das sorgte dafür, dass das Papyrus-Schiff endgültig aus dem Gleichgewicht geriet. Es zerfiel förmlich. Die einzelnen Papyrus-Taue lösten sich voneinander, während das Schiff kenterte. Der Mast wurde mitsamt dem Segel durch den Wind nach vorn gedrückt. Im nächsten Moment strampelte Herkos im Wasser und versuchte zu schwimmen, während sich über ihn das Segel wie ein großes Leichentuch legte.
Herkos hatte als kleiner Junge schwimmen gelernt. Das kam ihm nun zu Gute. Er tauchte unter dem Segel weg und kam wieder an die Oberfläche. Überall schrien Stimmen durcheinander. Die Barke des Pharao hatte sich in einzelne Papyrusbündel aufgelöst, die im Fluss trieben. Krieger, hohe Beamte und Diener versuchten gleichermaßen sich zu retten, indem sie sich an diesen Bündeln festhielten. Was mochte das nur sein? Hatte man vielleicht irgendeinen der Götter beleidigt, der mit der Nilflut verbunden war?
Aber eigentlich konnte das nicht sein. Hauptsächlich war Horus für die Nilflut zuständig – und Horus hatte sich doch
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