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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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März führte uns dann schonungslos vor Augen, dass die Lage noch viel schlimmer war, als wir befürchtet hatten. Zu solchen Ereignissen wurde von uns allen erwartet, den Leuten mit dem Spruch »Bar oder mit Karte?« neue oder wiederveröffentlichte LRH -Bücher oder LRH -Kongressvorträge zu verkaufen. Während dieser Kampagnen musste jeder die von ihm verlangten Stückzahlen erreichen, was schon immer unmöglich gewesen war. In diesem Jahr nun verbrachten alle fünfhundert Leute der Base eine ganze Nacht im opulenten Shrine Auditorium und führten Telefonate rund um den Erdball, um die Vorträge zu verkaufen. Sobald wir den Hörer aus der Hand legten, wurden wir aufgefordert weiterzumachen. Es gab nichts zu essen und nichts zu trinken, und wir durften uns auch nichts kaufen. Sicherheitspersonal bewachte sämtliche Türen und sorgte dafür, dass niemand vor halb acht Uhr morgens den Raum verließ.
    Einigen wenigen gelang es dennoch, früher zu gehen, etwa einer lungenkranken Siebzigjährigen. Beim Appell am nächsten Tag mussten diese Leute sich allerdings harsche Zurechtweisungen gefallen lassen. Sie wurden vor die Gruppe zitiert und öffentlich gemaßregelt, sie seien verachtenswert und ihr Verhalten widerlich. Zur Strafe mussten sie eine Stunde lang einen Müllcontainer von innen und außen reinigen. In der folgenden Woche erhielten wir alle die Warnung, dass die ganze Gruppe zu Strafarbeit verdonnert und Müllcontainer schrubben würde, sobald auch nur einer von uns sich einen Fehltritt erlauben würde.
    Nach der Veröffentlichung der neuen Kongressvorträge versammelte sich die gesamte Base jeden Abend um elf in der Kantine, um sich die Aufzeichnungen anzuhören. Jede dieser Vorlesungen dauerte mindestens eine Stunde und wurde eingeleitet von einer Erklärung, wie unethisch wir doch alle seien und dass wir aufmerksam zuhören sollten, um zu erfahren, was Scientology wirklich bedeutete.
    Während der Vorträge ging das Aufsichtspersonal herum und notierte jeden, der einschlief. Die Liste der Namen wurde am nächsten Tag öffentlich ausgehängt. Anschließend musste jeder von ihnen zur Strafe Müllcontainer säubern. Ich war ständig damit beschäftigt, meine Freunde und Dallas während dieser Veranstaltungen wachzuhalten, um sie vor weiterer Bestrafung zu bewahren.
    Beim Anblick all der übermüdeten und erschöpften Menschen musste ich an unsere Erfahrungen mit dem Spendensammeln in Australien denken und daran, dass hier wie dort dem Geldeintreiben offenbar weit mehr Gewicht beigemessen wurde als dem Wohl der Menschen oder der Verbreitung von Scientology. Wie es den Sea Org-Mitgliedern selbst dabei erging, schien sogar das Unwichtigste überhaupt zu sein. Bis zu einem gewissen Grad war es mir bereits früher aufgefallen, aber erst die Zeit in Australien hatte mir richtig zu Bewusstsein gebracht, welchen Stellenwert die Geldbeschaffung bei unseren Pflichten innerhalb der Sea Org inzwischen einnahm.
    Hier in dieser Umgebung begriff ich, wie stark die dauerhafte Wirkung all dieser kleinen Einsichten war, die wir in Australien gemacht hatten. Plötzlich sahen wir um uns herum nicht länger die Regeln, die wir zu befolgen hatten, sondern die Freiheiten, die sie uns aufzugeben zwangen. Kurz nach unserer Ankunft wurde anhand von Fragebögen überprüft, ob jemand ein Handy besaß, mit ehemaligen Sea Org-Mitgliedern gesprochen hatte oder über einen Internetanschluss verfügte, mit dem Anti-Scientology-Seiten besucht werden konnten. Auf der Base wurden alle Computer in einem separaten Raum unter Verschluss gehalten, und einen Schlüssel erhielt nur, wer eine spezielle Erlaubnis des OSA vorweisen konnte. Die Computer selbst waren mit Software vollgestopft, die bekannte Anti-Scientology-Seiten blockierte. Uns wurde unmissverständlich gesagt, dass jeder mit gravierenden Strafen rechnen müsse, der etwas verschwieg.
    Ich gab an, ein Handy zu besitzen, das die Eltern von Dallas uns gegeben hatten und mit dem wir einmal in der Woche unsere Eltern anriefen. Ich hatte mir damals die Annahme des Handys vorab genehmigen lassen, doch nun meinten sie zu mir, diese Genehmigung sei irrtümlich erfolgt und ich müsse das Telefon abgeben. Zugleich traten noch andere neue Vorschriften in Kraft: Unsere Schreibtischschubladen durften keine Snacks oder andere Speisen enthalten, obwohl wir nächtelang arbeiten mussten und die Essenspausen nur fünfzehn Minuten dauerten. Es durfte keine Musik bei der Arbeit gehört werden, der Tag in der

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