Mein Geheimnis bist du
– eine für ihn wildfremde Person – dabei saß. Es gab nur eine Erklärung dafür: Er übersah sie demonstrativ, um Mareike zu zeigen, dass ihre Freundin, für die er sie ja halten musste, für ihn nicht existierte.
Mareike schien Derartiges gewohnt zu sein. Sie nickte nur. »Bernd erbt das Haus, wie schön für ihn.«
»Was deinen Teil betrifft, Bernd kann dich momentan nicht auszahlen. Er will natürlich renovieren, umbauen. Das Haus hat es nötig. . . .«
»Vater«, unterbrach Mareike ihn. »Ich brauche euer Geld nicht! Nicht jetzt und auch nicht später. Ich habe einen Job, ich kann für mich selbst aufkommen. Meinetwegen könnt ihr, du und Mutter, Bernd auch noch euren letzten Sparstrumpf ausschütten. Das interessiert mich nicht.«
»Du verstehst doch sicher, dass wir uns so entschieden haben«, fuhr Herr Holländer unbeirrt fort. Die Worte seiner Tochter schien er nicht gehört zu haben. Ihm lag daran, seine Entscheidung zu begründen. Aber nicht, weil er ein schlechtes Gewissen hatte. Nein. Andrea schien, dass er seine Tochter belehren wollte. »Bernd und Nicole sorgen für die Familiennachfolge. Das ist, was am Ende zählt. Du bist nun schon über vierzig und immer noch nicht verheiratet. Also kannst du uns nicht vorwerfen, dass wir unsere Hoffnung auf deinen jüngeren Bruder setzen.«
»Nein, das werfe ich euch nicht vor. Aber andere Dinge.« Mareike seufzte, schüttelte den Kopf. »Aber ich werde heute nicht wieder darüber diskutieren.« Sie beendete abrupt ihr Frühstück und erhob sich. »Bis nachher bei der Trauung, Vater.«
Andrea folgte Mareike hinauf ins Zimmer. Dort angekommen, fragte sie besorgt: »Geht es dir gut?« Immerhin war Mareike im Prinzip gerade enterbt worden. »Das muss ein Schock für dich sein.«
Mareike sah Andrea spöttisch an. »Was? Dass ich diesen alten Kasten hier nicht erbe? Ich bitte dich. Machst du Witze? Was soll ich denn damit? Du glaubst doch nicht ernsthaft, ich würde hier wohnen wollen?«
Andrea war irritiert. »Na ja, aber vielleicht . . . verkaufen?«
»In dieser Gegend kannst du Häuser nur einstampfen. Hier kauft niemand.«
»Aber . . .«
»Andrea, ich bitte dich!« Mareike schüttelte den Kopf. »Du denkst ja wie meine Eltern. Ich versichere dir, für mich wäre dieses Haus nur ein Klotz am Bein. Wenn mein Bruder Zeit und Geld investieren will, um sich hier sein Familienglück aufzubauen, bitte. Meinen Segen hat er. Und ob er mich auszahlt oder nicht, ist mir schnuppe. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, wie es ist. Ich kann mir die Dinge leisten, die ich mir leisten will. Ich lebe allein, aber glücklich. Warum versteht niemand, dass mir das reicht? Dass ich daran nichts ändern will! Das Einzige, was ich mir wünsche, ist, dass meine Eltern mich endlich akzeptieren, wie ich bin, statt es mir ständig vorzuwerfen. Nur deshalb komme ich überhaupt noch her. Weil ich die absurde Hoffnung hege, dass sie eines Tages über ihren Schatten springen und sich für mich das wünschen, was ich mir wünsche. Verdammt!«, fluchte Mareike.
Andrea sah sie betreten an. »Entschuldige, ich wollte nicht . . .«
Mareike winkte ab. »Schon gut. Du kannst ja nichts dafür.« Sie ließ sich aufs Bett fallen, saß kopfschüttelnd da.
Andrea seufzte. Nein. Mareike hatte wirklich nicht übertrieben. Die Ablehnung, die sie von ihren Eltern erfuhr, war niederschmetternd. Andrea setzte sich neben Mareike.
»Es tut mir leid. War doch keine so gute Idee, dass du mitkommst«, sagte Mareike jetzt. »Dass du das alles mitbekommst . . .« Sie brach ab.
Andrea schwieg. Was sollte sie auch sagen? So schlimm habe ich es mir nicht vorgestellt. Das war wohl kaum das Richtige.
Das Richtige wäre, Mareike in die Arme zu nehmen. Sie zu trösten. Andrea zögerte. Sollte sie . . .? Vorsichtig legte sie einen Arm um Mareike, zog sie zu sich. » Ich finde dich toll, so wie du bist.«
Ein müdes Lächeln Mareikes war die Antwort. »Danke. Es ist lieb von dir, mir das zu sagen.« Bitter fügte sie hinzu. »Wenn es schon meine Familie nicht tut.«
Andrea strich versonnen über Mareikes Haar. »Du weißt doch, wie es heißt: Seine Familie kann man sich nicht aussuchen.«
Mareike drehte den Kopf zu Andrea. Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. »Aber seine Freunde.« Sie hob die Hand, streichelte leicht einmal Andreas Wange. Ein flüchtiger Kuss folgte. »Danke«, hauchte Mareike.
Andrea schluckte, räusperte sich. »Jetzt müssen wir uns aber endlich umziehen.« Sie
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