Mein Geheimnis bist du
Vierundvierzig, verheiratet, ein Kind. Freizeitsportler, Marathon und Rudern. Ein harter Brocken in Verhandlungen.«
Andrea sah Weller an. »Ich bin auch nicht ganz neu auf dem Gebiet.«
Weller löste seinen Blick kurz von der Straße. »Du bist eine sehr gute Analytikerin, Andrea. Was Verhandlungen angeht, da fehlen dir noch ein paar Erfahrungen. Sorry, ist nun mal so. Aber unsere neue zweite Chefin hat ja den Ruf, eine hervorragende Strategin zu sein. Sie wird dir gern unter die Arme greifen.«
Die Ampel vor ihnen schaltete von Grün auf Gelb um. Weller verlangsamte das Fahrtempo und brachte den Wagen zum Stehen. »Ich werde mal mit Mareike Holländer sprechen. Sie kann dich unterstützen. Zu zweit tritt es sich leichter auf. Ist ja nur für den Übergang.«
»Muss das sein?«, fragte Andrea wenig begeistert.
»Wieso? Hast du Probleme mit der Holländer? Könnt ihr nicht miteinander?«
»Ach was«, wehrte Andrea ab. »Ich finde die Idee einfach nicht gut. Beim Kunden muss das so ankommen, als stelle man mir einen Aufpasser zur Seite. Bei mir, ehrlich gesagt, auch. Wenn du mir den Job nicht zutraust, warum hast du mich dafür vorgeschlagen?«
Die Ampel schaltete von Rot auf Gelb. Weller fuhr weiter, bog rechts ab. »Natürlich traue ich dir den Job zu.« Er kräuselte die Stirn. »Warum bist du so empfindlich? Das musst du dir unbedingt abgewöhnen.«
Sie passierten die Einfahrt des Industriegebiets, in dem neben anderen auch das Firmengelände des Kunden lag. Ein Firmenschild mit der Aufschrift »Solarkraft« an einem mehrstöckigen roten Ziegelgebäude wies den Komplex als Sitz der Firma aus. Der Pförtner meldete sie bei Dietmar Busse an. Als der Mann den Weg zu Busses Büro beschreiben wollte, winkte Weller ab. »Ich kenne mich aus. Danke.«
Busse erwartete sie. Weller stellte Andrea als seine Nachfolgerin vor. Man redete sich warm, und Busse eröffnete ihnen die neuen Pläne von Solarkraft. In Zukunft wolle man nicht nur Ein- und Zweifamilienhäuser mit Solaranlagen versorgen, sondern auch auf dem Gebiet der Projektierung von Solarkraftwerken tätig werden. Entsprechende Kundenanfragen lagen bereits vor. Mit den Worten: »Hier schon mal ein paar Zahlen. Grobe Schätzungen zu Investitionen und Umsatz«, reichte er Weller eine Mappe. Weller gab sie ohne hineinzusehen an Andrea weiter. »Das werden Sie dann mit Frau Lange verhackstücken müssen.«
Busse lächelte. »Gern. Möchten Sie einmal unsere Entwicklungs- und Produktionsräume sehen, Frau Lange? Ich zeige Sie Ihnen. Die Büros des Projektmanagements und Vertriebes können wir wohl auslassen. Sie dürften Ihrem Büro sehr ähnlich sehen und daher eher weniger interessant sein.«
Busse führte sie durch die Räume und Hallen, erläuterte technische Einzelheiten. Für einen Finanzmenschen erstaunlich detailliert. Nach dem, was Weller Andrea von Busse erzählt hatte und was sie hier erlebte, schien ihr, dass der Mann ein Multitalent war. Sie war wirklich beeindruckt. Und dass es nicht gut ist, vom Verhandlungspartner der Gegenseite beeindruckt zu sein, das war ihr klar. Möglich also, dass Weller recht hatte. Sie brauchte vielleicht doch etwas Unterstützung bei den Verhandlungen. Nur so lange, bis sie die notwendige Routine besaß. Aber musste es ausgerechnet Mareike sein, die ihr diese Unterstützung gab?
Bereits am nächsten Tag kam Mareike in Andreas Büro. »Weller hat mit mir gesprochen. Ich finde seine Idee gut.«
»Na ja«, lautete Andreas zurückhaltender Kommentar.
»Du nicht?«, fragte Mareike.
Als eine Antwort ausblieb, kam sie näher, schaute Andrea prüfend an. »Wo liegt das Problem?«
Abgesehen von meinen Gefühlen, die jede Minute in deiner Nähe zu einer Belastungsprobe werden lassen? , seufzte Andrea innerlich.
Laut wiederholte sie, was sie bereits Weller gefragt hatte. »Wenn ihr mir den Job nicht zutraut, warum habt ihr ihn mir dann gegeben?«
»Blödsinn. Du bist genau die Richtige. Weller dachte nur, es wäre einfacher für dich, wenn ich dir ein paar Tipps gebe. Zum Beispiel, wie man in einer Besprechung die andere Seite geschickt auslotet. Wie man beharrlich ist und trotzdem charmant rüberkommt. Und so weiter.«
»Verstehe. Eine Art Benimmschule.«
Mareike lächelte. »Im entfernten Sinne. Also, wie wäre es mit einem Abendessen? Dann bringe ich dir die Regeln der hohen Verhandlungsdiplomatie bei. Und – aber nur wenn du willst – komme ich gern zu dem ein oder anderen Termin mit.«
»Abendessen?«, fragte
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