Mein Geheimnis bist du
Immerhin hat sie dich zur Hochzeit ihres Bruders mitgenommen.«
»Doch nur als Begleiterin, um nicht als beziehungsgescheiterte Lesbe dazustehen. Mehr war das nicht. Ich war selbst Zeugin, wie Mareike Laura angesehen hat. Sie ist so was von verliebt in sie. Glaube mir. Da habe ich keine Chance.«
»Da bist du ganz sicher?«
»Ja.«
»Hm.« Saskia dachte nach. »Tja dann, alternativ, geh ihr aus dem Weg.«
Andrea nickte. »Ja, das habe ich mir auch überlegt. Doch sie wird mich fragen, was los ist.«
»Dann sagst du es ihr. Du sagst ihr, was mit dir los ist und dass du Abstand brauchst.«
»Bist du verrückt!«, rief Andrea entsetzt. »Sie würde mich fortan nur noch mitleidig ansehen.«
»Aber weitermachen wie bisher kannst du auch nicht«, stellte Saskia nachdrücklich fest. »Schau dich an. Du bist völlig fertig. Kaum in der Lage, an etwas anderes zu denken als an sie. Wenn du meinst, es sei sinnlos, um sie zu kämpfen, musst du den Rückzug antreten. Den kompletten Rückzug! Um deine innere Ruhe wiederzufinden. Dazu brauchst du nun mal Abstand.«
Andrea wusste, dass Saskia recht hatte. »Abstand ja. Aber ich werde Mareike keinesfalls sagen . . . ich muss das irgendwie anders hinkriegen.«
»Und wie?«, wollte Saskia wissen.
Andrea kam eine Idee. »Ich . . . tu einfach so, als hätte ich mich verliebt . . . in eine Frau, der ich irgendwo zufällig begegnet bin. Ich denke mir irgendeine Geschichte aus. Und es ist ja allgemein bekannt, dass Frischverliebte keine Zeit für ihre Freunde haben. Was hältst du davon?«
Saskia ließ den Vorschlag eine Weile auf sich wirken. »Hm, könnte klappen«, meinte sie langsam. Doch dann fand sie den Haken an der Geschichte. »Aber was machst du, wenn Mareike deine neue Flamme mal kennenlernen will?«
Andrea zuckte mit den Schultern. »Dann sage ich ihr, dass wir noch in dem Stadium sind, wo drei eine zu viel ist.«
Saskia kratzte sich am Kopf, unsicher, ob sie die Idee nun gut oder schlecht finden sollte. Für Andrea hingegen stand fest: Die Idee war geradezu genial.
Am nächsten Vormittag kamen Andrea allerdings bereits erste Zweifel, ob sie ihre Gefühle, egal wie geschickt der Versuch auch angelegt war, auf Dauer würde verbergen können.
Als sich nämlich Andreas Bürotür öffnete, Mareike den Kopf durchsteckte und fragte: »Kannst du mir einen Gefallen tun? Ich muss zu einem Außentermin. Laura kommt in etwa einer Stunde, um sich den Schlüssel für meine Wohnung abzuholen. Kann ich ihn bei dir hinterlegen?«
»Laura?«, krächzte Andrea und spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog.
»Ja, sie rief gestern Abend überraschend an, dass sie kurzfristig ein paar Tage in der Stadt zu tun habe. Ich habe ihr angeboten, bei mir zu übernachten. Wozu die Reisekasse mit teuren Hotelrechnungen belasten?«
Andrea nickte, quälte sich ein Lächeln ab. »Ja, klar kannst du den Schlüssel bei mir lassen.«
Kurzfristig hier zu tun , echote es in Andrea. Und dabei würde Laura das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden? Eine Nacht mit Mareike. Oder sogar mehr? Vielleicht kam Laura diesmal, um zu bleiben?
Mareike glaubte ganz offensichtlich daran. Deren fröhliches »Danke« sagte alles. Sie legte den Schlüssel ab. Schon war Mareike wieder weg.
Zurück ließ sie eine erstarrte Andrea, der nur übrigblieb zu konstatieren: Sie ist so beschwingt wie eine Frischverliebte. Sie ist diejenige, die viel beschäftigt sein und keine Zeit für andere haben wird. Mareike würde wahrscheinlich nicht mal auffallen, wenn du auswanderst, Andrea!
Aber was klagte sie? Ob nun so oder andersherum. Hauptsache, zwischen Mareike und ihr ergab sich etwas Abstand. So lange Mareike mit Laura beschäftigt war und sie selbst mit der Übernahme von Wellers Aufgaben bis über beiden Ohren in Arbeit steckte, war dieser Abstand garantiert. Umso mehr, da die Nachfolge für Andreas alte Stelle erst geklärt werden musste, also mangels eines Nachfolgers diese Pflichten auch noch an ihr hingen.
Das Telefon schreckte Andrea aus ihren trüben Gedanken. Weller erinnerte sie an den Termin bei Solarkraft. »Morgen. Zehn Uhr.«
»Ja, ich habe mir alles notiert«, sagte Andrea in leicht gestresstem Tonfall.
Weller ließ ihr wirklich nicht viel Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Gestern Morgen zu seiner Nachfolgerin bestimmt, kam er schon am Nachmittag in Andreas Büro, erklärte, dass er sie den finanzkräftigsten Kunden unbedingt persönlich vorstellen wollte, und gab ihr eine Liste
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