Mein Geheimnis bist du
ist die Statistik. Was ich von dir will, ist, dass wir die Zahlen diskutieren. Wo, glaubst du, ist vielleicht bereits die Sättigung erreicht, wo siehst du das Potential. Eine Prognose. Ist das zu viel verlangt? Oder . . . sind deine privaten Verpflichtungen jetzt wichtiger?« Mareikes Stimme klang deutlich gereizt.
Andrea ging nicht weiter auf den Vorwurf ein und nahm schweigend die Mappe. Nachdem sie den Inhalt studiert hatte, gab sie ihren Kommentar ab. Mareike hörte zu, nickte oder schüttelte den Kopf. Bevor Andrea es sich versah, zog Mareike sie in eine Debatte, in deren streckenweise sehr hitzigen Verlauf sie sich am Ende aber auf einen Favoriten einigten. Bald skizzierten sie am Computer ein Konzept für die Werbekampagne. Mareike zog sich einen Stuhl neben Andreas Sessel heran.
»Ich glaube, jetzt haben wir es«, meinte Andrea schließlich.
»Ja, ich denke auch.«
Sie schauten beide zufrieden auf den Bildschirm des PCs.
»Okay. Feierabend«, sagte Andrea. Dann fuhr sie erschrocken auf. »Oh je. Wie spät ist es?«
»Kurz nach sechs.«
»Verdammt.« Andrea begann hektisch nach ihrem Handy zu suchen. »Ich war doch für halb sieben mit Kim verabredet. Das schaffe ich niemals.«
Andrea fand ihr Handy und wählte Kims Nummer. Sie musste nicht lange warten, bis abgenommen wurde.
»Tut mir leid, ich bin noch im Büro. Wir müssen unsere Verabredung verschieben. . . . Ja . . . Du bist nicht sauer? . . . Gott sei Dank. . . . Ja, wir probieren es am Wochenende. Ich rufe dich an, okay? . . . Du bist ein Schatz.« Andrea legte das Handy zur Seite und schaute verlegen in Mareikes Richtung. »Sie war ganz verständnisvoll. Nicht die Spur gekränkt.«
Mareike lächelte, als hätte sie einen sauren Drops im Mund. »Wochenende ist doch auch sowieso viel besser. Ich meine . . . wo du so weitreichende Pläne hattest.«
Andrea kniff die Augen zusammen, musterte Mareike. »Du bist in letzter Zeit echt eigenartig. Was ist denn los mit dir?«
»Was soll los sein?«, blockte Mareike ab.
»Das frage ich dich«, sagte Andrea mit sanftem Nachdruck. »Ich kenne dich mittlerweile gut genug und weiß, du kannst hin und wieder unvorhersehbar reagieren, aber solche Stimmungsschwankungen . . . Du bist in letzter Zeit so . . . na ja . . . empfindlich. Beinahe ungehalten.« Andrea zögerte. Sollte sie fragen? »Ist was nicht in Ordnung bei euch? Bei dir und Laura?«
Wenn es in der Beziehung zwischen den beiden mal wieder kriselte, würde das Mareikes häufig üble Laune erklären.
Mareike erhob sich von ihrem Stuhl und stellte ihn zurück an seinen ursprünglichen Platz. Sie sah Andrea an. »Laura geht wieder nach New York.«
Andrea wartete. Sie spürte, dass das noch nicht alles war.
»Sie hat mich gefragt, ob ich mitkommen will.«
Stille im Raum. Andrea schluckte, rang nach Fassung.
»Oh«, brachte sie endlich unter großer Anstrengung heraus. Eine unsichtbare Faust hatte sich in ihren Magen gerammt. Während sie mit der aufkommenden Übelkeit kämpfte, versuchte sie, Mareikes Worten zu folgen.
»Laura fliegt in zwei Wochen. Ich könnte kurze Zeit später nachkommen. Wenn Wohnung und Job gekündigt sind.« Mareike zuckte mit den Schultern. »Tja, so sieht es aus. Ich stehe verständlicherweise etwas neben mir, bin durcheinander. Einerseits bin ich natürlich froh, dass sie mich gefragt hat, andererseits . . . habe ich ein merkwürdiges Gefühl.«
»Weil es bedeutet, viel zurückzulassen. Deine Familie, deinen Job, Freunde.« Die Worte fielen Andrea schwer. Ihre Kehle schnürte sich mehr und mehr zu.
»Meine Familie?« Mareike lächelte spöttisch. »Wie du weißt, komme ich gut ohne die aus. Der Job? Na ja, wäre schade drum. Aber falls ich zurückkomme, habe ich kein Problem, einen neuen, vielleicht sogar besseren zu finden. Immerhin habe ich dann auch noch Auslandserfahrung anzubieten. Bleiben die Freunde. Aber wenn ich es genau überdenke, die wenigen, die ich habe, sind im ganzen Land verteilt, und wir sehen uns sowieso nur einmal in fünf Jahren. Sonst telefonieren oder mailen wir. Das kann ich auch vom Ausland aus. Nein, das alles ist es nicht.« Mareike schüttelte den Kopf.
»Es ist immerhin ein völlig fremdes Land. Weit weg von allem, was du kennst. Ein großer Schritt ins Ungewisse.« Andrea verbarg ihre Hände unter dem Schreibtisch. Mareike sollte nicht sehen, wie sie zitterten. Hoffentlich klang ihre Stimme fest genug.
»Ja. Und auch wieder nicht. Laura hat dort
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