Mein Geheimnis bist du
? Es sah alles danach aus.
Aber das durfte doch nicht wahr sein. Wie konnte Mareike in dieser Sache derart die Augen vor der Realität verschließen? Sie war doch sonst so tough.
»Ist was nicht in Ordnung?«, fragte Mareike. »Du bist schon den ganzen Tag so merkwürdig. Beinahe so, als erwartest du irgendeine Katastrophe. Und ich habe den Eindruck, je später der Tag, desto nervöser wirst du.«
»Ich . . . nein. Du irrst dich.«
»So?« Mareike nippte an ihrem Martini. »Ich dachte, es hängt vielleicht mit unserem Gespräch von gestern früh zusammen. Auf der Herfahrt. Du erinnerst dich?«
Andrea griff nach ihrem Glas, trank einen Schluck. »Natürlich«, sagte sie leise.
Mareike schüttelte den Kopf. »Warum habe ich es nicht bemerkt?«
Weil du eine andere im Kopf hattest? Genauer gesagt, immer noch hast. Obwohl dir die Dame mehr als einmal einen Korb gab.
»Ich hätte es merken müssen«, meinte Mareike.
Andrea sammelte ihre Gedanken. »Und dann?«, fragte sie. »Was hätte das geändert?«
Im Auto schwieg Mareike auf diese Frage. Weil sie sie gar nicht gehört hatte, vermutete Andrea da. Oder war es, weil Mareike keine Antwort auf die Frage wusste? Sie, Andrea, hatte jedenfalls keine.
»Ich weiß nicht.« Mareike blickte Andrea ernst an. Nachdenklich sagte sie: »Möglicherweise wäre bei mir die ein oder andere Entscheidung anders ausgefallen.«
Andrea blinzelte irritiert. Wollte Mareike ihr etwa weismachen, sie fühlte ähnlich für sie, Andrea, wie sie für Mareike? Auf ein Mal? Gestern Laura, heute Andrea? War das Mareikes Antwort auf Lauras Mail? Dachte sie: Laura kann ich nicht haben, aber da ist ja noch Andrea. Sie ist verliebt in mich. Ich sage ihr ein paar nette Worte, und der Rest ergibt sich wie von selbst. Natürlich muss ich es so aussehen lassen, als würde ich mich plötzlich statt für Laura für sie entscheiden.
»Wie denn anders?«, fragte Andrea vorsichtig, denn sie fürchtete, dass Mareikes Antwort ihren Verdacht bestätigte.
Doch Mareike schüttelte erneut den Kopf. »Ich kann es nicht sagen. In meinem Kopf ist gerade ein großes Durcheinander.« Sie trank erneut von ihrem Martini. »Wie in letzter Zeit so vieles durcheinander ist«, murmelte sie vor sich hin.
Andrea fragte nicht weiter nach dem Grund. Sie kannte ihn ja. Laura!
»Ich würde gern noch ein wenig spazieren gehen.« Mareike lächelte Andrea zu.
Andrea rührte sich nicht, als Mareike aufstand, da sie annahm, diese wolle, wie gestern auch, allein gehen.
»Kommst du?«, fragte Mareike.
Andrea blickte auf, sah in Mareikes abwartendes Gesicht. »Ich dachte . . .« Unvermittelt brach sie ab. »Ja, ich komme.«
Es war windstill, aber kalt. Andrea knöpfte die Jacke bis oben hin zu. Mareike dagegen schien die Kälte nichts auszumachen. Sie ging mit offenem Mantel, den Schal locker um ihren Hals gelegt.
»Wenn du frierst, gehen wir zurück«, bot Mareike an.
»Wir sind ja gerade erst fünfzig Meter gegangen.«
»Aber du . . .«
Andrea winkte ab. »Mein durch Büroklima verweichlichter Körper braucht nur etwas länger, sich anzupassen.«
Mareike schmunzelte. »Okay.«
Sie gingen an den beleuchteten Schaufenstern der bereits geschlossenen Geschäfte entlang. Andrea betrachtete gedankenabwesend die Auslagen.
Mareike ging schweigend neben ihr her.
»Dort hinten gibt es einen kleinen Park«, sagte sie nach ein paar Minuten.
»Wo?« Andrea blickte sich suchend um.
»Da.« Mareike deutete nach rechts. »Wollen wir hingehen? Es gibt dort eine uralte knorrige Eiche.« Sie hakte sich bei Andrea ein, schlenderte so mit ihr in die angegebene Richtung. »Wenn du unter ihrer Krone sitzt, bekommst du eine Ahnung von der Zeit. Und wie kurz deine eigene bemessen ist. Das hilft beim Nachdenken. Ich habe öfter dort gesessen, als ich noch in Hamburg wohnte. Und auch gestern. Ich . . .« Mareike hielt inne. »Willst du wissen, worüber ich nachgedacht habe?«
»Wenn du es mir sagen willst.«
»Ich habe über uns nachgedacht.«
»Über uns?«
»Ja. Überrascht dich das?« Mareike wartete Andreas Antwort nicht ab. »Wie geht es deinem Arm?«, fragte sie zusammenhanglos.
Andrea war über diese belanglose Frage mehr verwirrt als über Mareikes Geständnis von eben. »Alles in Ordnung.«
»Ich weiß nicht, ob es an dem Tag begann, als ich dich im Krankenhaus besuchte, oder schon vorher. Sicher schon vorher, denn als ich dich küsste, war das keine spontane Anwandlung. Es war ein Gefühl, das sich entwickelt
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