Mein Geliebter, mein Prinz
verbergen.
Der freundliche Gesichtsausdruck verschwand jedoch schlagartig. Denn es war Nico, der vor der Tür stand. Regentropfen glitzerten auf seinem schwarzen Haar, und sein großer, kräftiger Körper wirkte so lebendig und männlich.
Nico sah aus …
Wie ein Prinz. Trotz der durchnässten Fliegerjacke und den verwaschenen Jeans hatte seine stolze, anmaßende Haltung etwas Königliches an sich.
Niemals hatte er begehrenswerter ausgesehen und niemals so unerreichbar.
Er blickte in Ellas blasses Gesicht mit den großen grünen Augen und sah ihr den Schmerz und das Bedauern an. Fast wäre Nico wieder gegangen. Vielleicht weckten sie ineinander zu intensive Gefühle, unvereinbar mit dem Leben – besonders mit seinem. Vielleicht war Ella selbst zu diesem Schluss gekommen. Aber Nico wusste, dass er es wenigstens versuchen musste.
„ Ciao, bella“ , sagte er sanft, und dann, noch sanfter: „Gabriella.“
Nur er nannte sie so. Und Ella kam es vor, als hätte er, indem er ihren vollen Namen benutzte, die Frau in ihr wachgerufen, die stets unter der Oberfläche verborgen geblieben war. Eine Frau, in der dieselben Leidenschaften tosten wie in ihm – nur dass er diese Gefühle auf riskante Sportarten richtete.
Um sicherzugehen, dass sie nicht träumte und er tatsächlich vor ihrer Tür stand, wollte Ella sich kneifen. Sie fand, dass Nico verändert aussah. Härter und schlanker. Kantig. Sehr männlich und sexy mit seinem Dreitagebart. Plötzlich erschien der graue Regentag strahlend hell, und Ella spürte, wie ihr Herz weich und weit wurde. Oh nein. Würde sie jemals fähig sein, Nico anzublicken, ohne vor Liebe zu ihm innerlich dahinzuschmelzen?
„Nico! Was machst du denn hier?“
„Ich werde nass“, erwiderte er trocken.
„Oh … komm herein!“
Er lächelte trübselig. Wann hatte ihn schon mal jemand so lange im strömenden Regen vor der Tür stehen lassen?
„Gib mir deine Jacke“, sagte Ella schnell, weil sie irgendetwas zu tun brauchte, um sich zu beruhigen. Und er war wirklich sehr nass geworden. Ella zitterten die Hände, als sie die völlig durchweichte Jacke aufhängte. Sich beruhigen? Wem wollte sie etwas vormachen?
Sie ließ den Blick über sein Gesicht gleiten. Den kleinen Hoffnungsfunken zu nähren, das wagte sie nicht. Dass Nico hier war, bedeutete nichts. „Warum bist du gekommen?“, flüsterte sie.
Allein seine Anwesenheit war ein Zeichen, das normalerweise hätte genügen sollen. Nur reichte es jetzt nicht. Ella hatte Nico vieles vorgeworfen. Aber die Beschuldigung, davonzulaufen und Förmlichkeiten, Privilegien und Gegenstände als Ersatz für die Realität zu benutzen, hatte ihn tief getroffen. Weil es die nackte Wahrheit war, manchmal schmerzhaft und quälend, vor der Nico sich jedoch nicht für immer verstecken konnte, wenn er einigermaßen in Frieden leben wollte.
Leider war Nico ein Mann, der noch nie seine Gefühle erklärt hatte – es niemals hatte tun müssen. Deshalb befand er sich jetzt plötzlich in der längst vergessenen Lage eines Anfängers.
„Ich habe mein Motorrad abgeschafft“, sagte er.
Ella blinzelte, als sich ihre törichten kleinen Wunschträume in nichts auflösten. Worauf auch immer sie insgeheim gehofft hatte, ein Gespräch über sein verdammtes Motorrad war bestimmt nicht darunter! „Tatsächlich?“, fragte sie ausdruckslos.
Offenbar hatte Ella das nicht hören wollen. Vorsichtig machte Nico einen zweiten Versuch. „Ich will nicht irgendwann eine traurige Figur abgeben, wenn ich mit fünfzig Jahren immer noch auf einem Motorrad durch die Berge rase.“
Das waren exakt ihre Worte, die er ihr vorhielt. Ella biss sich auf die Lippe. „Das hätte ich nicht sagen sollen …“
„Im Gegenteil, cara mia , du hast genau das Richtige gesagt.“
„Wirklich?“
Ihren ungläubigen Tonfall verstand Nico allzu gut. „Wie sonst könnte ich lernen?“, fragte Nico schlicht und lächelte,als ihre Augen vor Staunen groß wurden. „Damals wollte ich es nicht hören. Aber andererseits hatte auch noch nie jemand so mit mir gesprochen. Ich brauche diesen Nervenkitzel nicht mehr. Er bedeutet nichts und begeistert mich nicht. Er ist nichts wert, weil er nicht real ist.“ Jetzt ruhte Nicos Blick fest und ruhig auf ihr. „Du begeisterst mich, Gabriella. Und du bist sehr real.“
Sie konnte kaum atmen. Trotzdem wusste Ella, dass sie sich mehr wünschte, als Nico vermutlich anzubieten bereit war. Und darüber hinaus musste sie sich erst einmal davon
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