Mein geliebter Ritter
vorgefallen?«
Sie musterte ihn von der Seite. Nach einer Weile sagte sie: »Sir Guy hat mich beschuldigt, seinen Onkel durch Hexerei umgebracht zu haben.«
»Dieses widerliche Schwein!« Es gab keine gefährlichere Anschuldigung, die man gegen eine Frau erheben konnte. »Aber ich hatte gehört, dein Mann wäre steinalt … äh, betagt gewesen.«
»Louis war siebzig und gesundheitlich angeschlagen, deshalb nahm niemand seine Anschuldigung ernst.« Sie verdrehte die Augen und fügte hinzu: »Sir Guy hat mich sogar beschuldigt, einen Liebestrank verwendet zu haben, damit Louis mich überhaupt heiratete.«
Pomeroy war ein Narr. Linnet brauchte keinen Liebestrank. Sie könnte jeden Mann haben, den sie wollte.
»Am besten erzählst du mir alles, was du ihm angetan hast«, sagte Jamie. »Gewiss steht es mir zu, die ganze Geschichte zu kennen, bevor ich ihn töte.«
»Du hast mir diesen Tag in Paris noch immer nicht verziehen, warum sollte er es also tun?« Mit diesen Worten trieb sie ihr Pferd an und galoppierte davon. Der auffliegende Matsch landete auf ihm.
Verdammt, musste sie denn immer wieder auf die Vergangenheit zu sprechen kommen?
Jamies Stimmung verschlechterte sich noch mehr, als die Männer vor ihm sich in eine gute Position zu drängeln versuchten, um neben ihr zu reiten. Wenn ein Ochse tot vor ihnen auf dem Weg läge, würden sie wohl darüber reiten, ohne es zu bemerken.
Martin, der die ganze Zeit hinter ihnen gewesen sein musste, schloss zu ihm auf. Jamie beachtete ihn nicht; er wollte in Ruhe gelassen werden.
Aber Ruhe würde er an diesem Tag nicht bekommen.
Martin räusperte sich. »Sir James?«
»Ich habe dir doch gesagt, du kannst mich mit ›Jamie‹ ansprechen«, sagte er, ohne die Reitergruppe vor ihnen aus den Augen zu lassen.
Alle Männer lachten über die Bemerkung, die Linnet gerade gemacht hatte. Was für eine angenehme Reise es doch werden würde. Er würde den ganzen Weg bis zu dem verdammten Schloss Windsor Pferdekruppen betrachten und Männer, die sich für Linnet zum Affen machten.
»Sir, darf ich offen sprechen?«, fragte Martin.
Jamie drehte sich um und bemerkte, dass sein Knappe ihn mit geradezu schmerzlich ernster Miene ansah. »Spuck es aus, Martin.«
»Ich bin Euch dafür dankbar, Sir, dass Ihr mich in Eure Dienste aufgenommen habt, nachdem mein Herr in Frankreich getötet wurde«, sagte Martin mit einer Stimme, die vor Anspannung ganz hoch war. »Aber ich wurde in dem Glauben erzogen, dass ein Ritter einer Dame immer Respekt erweisen muss.«
Jamie atmete hörbar aus. Sein junger Knappe musste gesehen haben, wie Linnet ihn gestern geohrfeigt hatte. Und das war kein spielerischer Schlag gewesen.
»Ist es Eure Gewohnheit, Sir, Damen zu beleidigen?«, fragte Martin. »Denn wenn es das ist, muss ich mir einen anderen Ritter suchen, in dessen Dienste ich treten kann.«
Als wäre Linnets Anwesenheit nicht schon Folter genug, hatte er es nun auch noch mit dem jungen Galahad zu tun. Gewiss war das Gottes Strafe.
»Soweit ich weiß, ist Lady Linnet die einzige Dame, die mir gegenüber gewalttätig wird.« Obwohl Jamie nicht einmal vierundzwanzig Jahre alt war, gab ihm sein junger Knappe das Gefühl, mindestens hundert zu sein.
»Ich hoffe, Ihr habt Ihr keinen guten Grund gegeben, Euch zu schlagen.« Martins Stimme war steif vor Vorwurf.
Die Heiligen mögen ihm beistehen, Martin klang, als würde er jeden Moment sein Schwert ziehen. Merkwürdigerweise amüsierte es Jamie und munterte ihn auf, ein solches Maß an Ritterlichkeit in seinem jungen Knappen zu entdecken.
»Die Dinge liegen nicht so … einfach … zwischen besagter Dame und mir«, sagte Jamie, wobei er wieder Linnet ansah.
Sie ritten eine Weile in gnädiger Stille, bevor Martin wieder zu sprechen begann.
»Sir?«
Als sich Jamie dieses Mal zu ihm umdrehte, starrte Martin ihn mit großen Augen blinzelnd an, als wäre er gerade aus der Dunkelheit in einen hell erleuchteten Raum getreten.
»Wollt Ihr damit sagen, Sir, dass Ihr sie liebt?«
8
Jamie spielte mit den Wächtern im Turmhaus ein Würfelspiel, um seine Langeweile zu vertreiben und um zu verhindern, dass er Linnet begegnete. Durch die Schießscharten konnte er das Plätschern des nachlassenden Regens in den Pfützen auf dem tief unter ihm liegenden Boden hören.
Jedes Mal wenn er Linnet begegnete, erinnerte er sich an den Geruch ihrer Haut und daran, wie ihre Hände durch sein Haar glitten …
Der Mann neben ihm stieß ihm in die Rippen. »Ihr seid
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