Mein geliebter Ritter
immer noch aufgeschürfte Knie. Aber sie beschwerte sich nicht.
François war verschwunden, und ihre beiden Dienstboten hatten genug Verstand, ihnen aus dem Weg zu gehen, sodass sie das Haus für sich hatten. Sie liebten sich, bis sie zu schwach waren, sich zu bewegen, und lagen dann redend und lachend im Bett. Jeden Nachmittag schafften sie es, für zwei oder drei Stunden das Haus zu verlassen, um ihren geschäftlichen Angelegenheiten in London getrennt nachzugehen.
Am ersten Tag hatte sie an die Tür des Ratsherrn Arnold geklopft, bis ein Diener ihr erklärt hatte, die Familie habe die Stadt verlassen und sei zu ihren Besitzungen in Kent gefahren. In der Guild Hall erzählte man ihr dasselbe, also ließ sie die Sache auf sich beruhen.
Trotz all ihrer Mühen machten die Nachforschungen, wer hinter dem Plan gesteckt hatte, das Geschäft ihres Großvaters zu zerstören, keinerlei Fortschritte. Irgendwann würde sie den Ratsherrn aufspüren und ihn dazu zwingen, ihre Fragen zu beantworten. Irgendwann würde sie herausfinden, wer hinter all dem steckte. Doch nur dieses eine Mal erlaubte sie sich, die Last abzulegen, die sie trug. Sie erlaubte sich dieses eine Geschenk in Gestalt von Jamie zu genießen, solange sie die Möglichkeit dazu hatte.
Heute war ihr letzter Tag in London, weshalb sie sich wünschte, Jamie würde rasch von seinem Besuch beim Bischof zurückkehren. Sie selbst war vor einer Stunde von ihrem Treffen mit Master Woodley heimgekommen.
Beim Klang der Tür drehte sie sich um, und eine Welle des Glücksgefühls wallte in ihrer Brust auf. Aber es war François, nicht Jamie, der in ihr Wohnzimmer trat.
»Wo hast du gesteckt?«, fragte sie.
»Hier und da«, antwortete François achselzuckend. Er blieb stehen und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Was ist hier passiert? Du kommst mir … verändert vor.«
Manchmal konnte es ganz schön anstrengend sein, einen Zwilling zu haben.
»Verändert?«, fragte sie, um seine Frage nicht beantworten zu müssen. »Wie meinst du das?«
»Glücklich. Zufrieden. Normalerweise bist du keins von beidem wirklich, deshalb muss etwas Bemerkenswertes passiert sein. Hast du einen der Männer, hinter denen du her bist, umgebracht oder …« Er sah sich aufmerksam im Raum um, bevor er den Blick wieder auf sie richtete: »Es ist ein Mann. Du hast einen Mann hier.«
Linnet verschränkte die Arme über der Brust.
»Wer ist es?« Seine strenge Miene schmolz zu einem breiten Grinsen. »Es ist Jamie Rayburn, stimmt’s?«
Sie sah resigniert zur Decke.
»Bei jedem anderen würde ich mich verpflichtet fühlen, ihn zu verprügeln oder zum Duell zu fordern. Aber Jamie ist ein guter Mann.« François nahm sich einen Apfel vom Tisch, setzte sich neben sie und zog die Knie an. »Du hättest ihn beim ersten Mal schon heiraten sollen.«
»Ich kann dir versichern«, sagte sie gepresst, »dass Jamie nicht der Sinn nach einer Ehe steht.«
»Das verärgert dich.« François legte den Kopf schief. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Wie überaus interessant.«
Mit seinen perfekten weißen Zähnen biss er ein großes Stück von dem Apfel ab. Seine Augen funkelten amüsiert, während er kaute.
»Ich bin keineswegs verärgert«, sagte sie. »Ich habe keine Zeit für einen liebeskranker Trottel, der mir bei jedem Schritt am Bein klebt.«
»Hm-hm«, machte François zwischen zwei Bissen.
»Ich schlag dir dieses nervige kleine Lächeln noch aus dem Gesicht, wenn du nicht damit aufhörst«, keifte sie ihn an.
Kaum hatte sie das gesagt, war ihr auch schon bewusst, dass sie sich anhören musste wie damals mit zehn. Als ihr Blick den von François traf, brachen sie beide in Gelächter aus. Sie konnte ihm nie lange böse sein.
Nachdem ihr Gelächter verebbt war, sagte François leise: »Ich nehme an, dass du ihm nur sagen musst, wenn du mehr von Jamie Rayburn willst.«
»Ha, du hast ja keine Ahnung«, sagte sie und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Jamie ist ganz zufrieden damit, wie die Dinge stehen. Genau wie ich. Du weißt, dass ich noch etwas erledigen muss.«
Kein Ehemann – insbesondere Jamie Rayburn – würde ihr die Freiheit lassen, ihre Pläne weiter zu verfolgen.
»Um Gottes willen, Linnet, hör endlich auf damit.« François verlor seine ungezwungene Art.
»Ich brauche bloß noch ein bisschen Zeit.«
»Fünf Jahre deines Lebens sollten genug sein.«
Sie hatte in diesen fünf Jahren verdammt viel erreicht, aber sie zog vor, ihm das nicht zu
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