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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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seiner Entlastung lieferte, waren nichts anderes als eine ebenso verstockte wie larmoyante Zurechtrückung der eigenen Profitsucht und Schwäche. Was er mir erzählte, war von einer kaum erträglichen Banalität und zerfloss in einem Charakter, in dem alles Diabolische und Beunruhigende auf immer unzugänglich war. Die Rede kam nicht auf die Magie des Bösen, auf Satanismus oder auf eine planmäßige, raffinierte Destruktion der Modernität. Das ganze Gespräch drehte sich um Ressentiments, um den Hass auf eine Zeit, die ihm den einstigen Ruhm nicht mehr gönnte. Einen blasseren, trivialeren und dabei entrüsteteren Menschen vermochte man sich nicht vorzustellen. Wenn ich mir damals eine aufregende Begegnung mit einem Verführer versprochen hatte, wie jene zwischen Joachim Fest mit dem ausgefuchsten Speer, so wurde mir doch rasch klar, dass sich in der Verstocktheit Brekers eine schier bürokratische Unfähigkeit zeigte, das eigene Leben auch nur im geringsten zu hinterfragen. Banaler und feiger hat sich keine der Figuren, die den Pakt mit Hitler eingegangen sind, aus der Verantwortung geschlichen. Es hatte keinen Sinn, mit ihm über solche Dinge zu sprechen. Er lehnte alles ab, was sein Selbstbewusstsein hätte ins Wanken bringen können. Unvergessen bleibt mir der theatralische Satz, mit dem er sich nach unserem Treffen verabschiedete: »Schreiben Sie über mich, verurteilen Sie mich, aber erlösen Sie mich aus diesem Schweigen.« Ich schrieb damals nicht über ihn. Erst viele Jahre später. Brekers Auftritt in Frankreich war für viele französischen Künstler in höchstem Maße frustrierend, man schämte sich. Als im Centre Pompidou in einer Ausstellung, die dem Realismus im zwanzigsten Jahrhundert galt, auch die Cocteau-Büste von Breker gezeigt werden sollte, führte dies zu einem Aufschrei unter den Künstlern. Sein Ruhm, die Rolle, die er im Umfeld Hitlers auch in Frankreich spielen konnte, mussten den Zeitgenossen wie das Auftreten eines Außerirdischen erscheinen. Nur die stalinistische und die nationalsozialistische Ästhetik verfügten in den dreißiger Jahren über eine derart starke offizielle Position. Die Erinnerung an dieses ästhetische Potential der Macht wirkte in Frankreich lange nach. Bei einem intimen Abendessen, das zu Ehren Kahnweilers im Palais Beauharnais stattfand, kam Malraux auf die Rolle staatlicher Kunst zu sprechen. Er hatte bereits ein wenig getrunken, als er mir etwas beichtete, was ihn offensichtlich weiterhin beschäftigte. Der frühere Kulturminister de Gaulles flüsterte mir zu, dass der General im Unterschied zu anderen historischen Figuren des Jahrhunderts keine Architektur und keine Werke hinterlassen habe, die sich mit seiner Regierungszeit verbinden ließen und diese datieren könnten. Und er setzte hinzu, selbst Mussolini und Hitler hätten auf diesem Felde für Unverwechselbarkeit gesorgt. Diese ungeheuerliche Klage gehörte zu den Spätfolgen einer Faszination, die in den »Anti-Memoiren« bei der Schilderung der Auslöschung Nürnbergs angeklungen war. Malraux hatte den Brand der Stadt wie ein von Nero inszeniertes Schlussbild aus der »Götterdämmerung« in sich hineingesogen.

    Werner Spies und Walter (»Wallo«) Spieth

    Als Ernst Jünger und ich uns in der Nähe des Arc de Triomphe, nicht weit vom Grab des unbekannten Soldaten, trafen, trug der Schriftsteller ein voluminöses Bukett mit sich. Wir sprachen über den Surrealismus und im besonderen über Max Ernst. Ich fragte mich, ob er wohl vorhatte, diesen Blumenstrauß neben der ewigen Flamme niederzulegen, was zeigte, dass auch ich nicht weit entfernt war von der gehässigen Haltung all seiner schnellen Nichtleser. Dabei war es unübersehbar, dass er mit In Stahlgewittern und Auf den Marmorklippen , dem Oberförster und seinen Horden, tief in den Geist der Zeit eingedrungen war. Wie Céline gehört er zu den größten Schriftstellern seines Jahrhunderts. Ich fand später einen Nachhall des Unheimlichen in Jüngers Werk in den Bildern von Neo Rauch. Dieser hatte sich in Leipzig in einen gleichsam unheimlichen, bilderverseuchten Sperrgürtel zurückgezogen, der an die Welt Jüngers und an Tarkowskis »Stalker« denken lässt. Auch die Musik von Eduard Artemjew, wie »Meditation«, die die Bilder Tarkowskis begleitet, passt zu den langsamen Szenerien Rauchs, die wirken, als seien den Figuren die Gliedmaßen eingeschlafen. Rauch zeigt uns die Reviere, in denen der Oberförster, Jüngers teuflische Variante des

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