Mein Glueck
Glück. Gott hilf, so brauchte ich Dich noch nie.« Was hier beschrieben wird, ist meine erste, unglückliche Liebe. Brigitte, die wunderschöne brünette Arzttochter, sprach gerne mit mir, lud mich auch nach Hause ein, wehrte aber alle Avancen ab. Dabei spielten sicherlich, wie ich von Freunden erfuhr, der für ihre Eltern unüberbrückbare Standesunterschied und meine »falsche« Konfession eine Rolle. Auch die zwei hinreißenden Sekretärinnen des Intendanten Bausch am Süddeutschen Rundfunk gingen mir in der Folgezeit aus dem Weg. Dabei verschlangen sie mich – so schien es mir –, als ich ihnen zum ersten Mal im Büro gegenüberstand, regelrecht mit den Augen. Doch ihr Chef – so erfuhr ich später von einem der beiden Mädchen – hatte ihnen auf das strengste verboten, mich zu verführen. Es war eine erotisch unerträglich aufgeladene Zeit, in der ich von alldem profitierte, was hoffnungsloses Warten hervorzubringen vermag. Ich ging in meinen Träumen auf Körpern spazieren, saugte mich an Stellen fest, die mir unheimlich und unvorstellbar vorkamen. Letztlich brachte dies eine Brutalität in mein Leben, die ich zuvor noch nie gespürt hatte und die mir alle Freiheit raubte. Mir kam es vor, als sei ich verurteilt und dem Henker übergeben worden. Dagegen konnte ich nichts ausrichten: Ich war der unerträglichen Qual des Wartens ausgeliefert. Immer wieder hörte ich Orests Worte aus Hofmannsthals Elektra : »Ich sage dir, ich muss hier warten, bis sie mich rufen.« Das kleinste Geräusch, plötzliche Schritte brachten eine bis zum Platzen gespannte Hoffnung zurück. Und es gab dann nichts Unerträglicheres, als zu erleben, wie diese Hoffnung mich verspottete. Dann bleiben im schwarz gesprenkelten Heft nur noch unbeschriebene Blätter. Auf diesen Seiten beginnt ein neues, schließlich selbstbewussteres Leben.
Diese verlängerte, ausgezogene Zeit in der Redaktion der Rottweiler Lokalzeitung führte zu einer Begegnung, deren Bedeutung ich sofort spürte. Zur Rottweiler Fasnet kamen regelmäßig Ehrengäste in die Stadt. Sie fanden sich auf dem Balkon des Rathauses ein, um von dort aus den einzigartigen Narrensprung zu erleben, bei dem vom Schwarzen Tor aus Hunderte Maskierte hinunter in die Stadt defilieren. Als Vertreter der Lokalzeitung durfte auch ich mich auf dem Erker aufhalten. Mein Auftrag war es, die Reaktionen der hohen Besucher festzuhalten und darüber zu berichten. Auf diese Weise traf ich Ernst Jünger. Und ich muss sagen, die Aufmerksamkeit, die er mir schenkte, überrascht mich bis heute. Überaus genau und kenntnisreich erklärte er mir die verschiedenen historischen Masken und Gewänder, die um Punkt 8 Uhr morgens durch das Schwarze Tor in die Stadt zogen. Die Vorhut bildeten die Kleinen, der Narrensamen, dann folgten die »Gschell« und »Schantle«, die »Bennerrössle«, der »Federahannes« und das »Fransenkleidle«. Jünger erläuterte alles, öffnete mir eine ganze Welt. Die Larve, die das »Fransenkleid« trug, zeigte einen überaus lieblichen Ausdruck. Das sei fernöstlich, meinte der Dichter und sprach von der Nähe zu den japanischen Nō-Masken. Dieses kommentierende Sehen und Erleben beeindruckte mich. Ich spürte, dass bei Jünger jede Empfindung an Wissen gebunden war und es keine unbegründete Exaltation gab. Die Leichtigkeit, mit der ich zu einer solchen Berühmtheit Kontakt aufnehmen konnte, ermutigte mich, und diese Erfahrung sollte mir in der Zukunft nützlich sein. Später traf ich Ernst Jünger in Paris wieder. Mit unternehmungslustigem, schnellem Schritt trat er aus dem »Hôtel Raphael« an der Avenue Kléber. Er hatte seine Gewohnheiten seit der Zeit der Okkupation nicht ändern müssen. Auch damals residierte er in dem feinen Haus beim Arc de Triomphe.
Anders erschien mir der Fall Arno Breker, der in Deutschland immer wieder seine französische Karte ausspielte und unermüdlich daran erinnerte, dass er während der Besatzungszeit Picasso vor den Nazis habe retten können. Was er – wohlgemerkt nie zu Lebzeiten Picassos – über sein Eintreten für den Spanier gegenüber den Deutschen von sich gab, kann allerdings keine geschichtliche Quelle bestätigen. In den zahllosen Dokumenten und Briefen, die ich im Nachlass Picassos einsehen konnte, taucht nirgends der Name Breker auf. Man muss blind sein, um nicht zu bemerken, wie ablehnend Picasso auf die Pseudoklassik, für die sich die Besatzer starkmachten, reagierte. Picasso, der seit den frühen zwanziger Jahren das
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