Mein Glueck
nichts anderes als harte Eier. Die hingen in einem Ständer auf der Theke, und ich habe heute noch das dumpfe und unangenehme Geräusch im Ohr, mit dem er die Eier auf die mit Messing bedeckte Theke aufschlagen ließ. Giacometti zeigte sich keineswegs abgeneigt. Ich erzählte Beckett von diesem Besuch und von meiner Initiative. Er hörte sich dies alles an, offensichtlich nicht ungern. Doch er meinte schließlich, er könne seinen Freund Matias nicht enttäuschen, dem er die Mitwirkung an der Produktion versprochen habe. Dabei blieb es.
Peter Schamoni und Werner Spies
Neulich erst erhielt ich einen Brief von Beatrice von Matt, der die Übersendung ihrer Publikation Werner Düggelin. Porträt und Gespräche begleitete. Sie schrieb, dass Becketts Zögern, von dem ich in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung erzählt hatte, wohl einen anderen Grund habe. Sie lud mich ein, ich möge in ihrem Buch eine Stelle auf Seite 53 lesen. Düggelin berichtet hier, dass bereits 1953 für die Inszenierung von Godot auf Bitten von Blin Giacometti das Bäumchen für die Szene liefern sollte. Doch Beckett habe sich strikt geweigert, dies überhaupt in Erwägung zu ziehen. Er sei rasend eifersüchtig auf Giacometti gewesen, da dieser damals eng mit Marlene Dietrich befreundet war. Er war nicht der einzige, der darunter litt. Auch der Maler Sam Szafran erzählte mir, dass er nachts ums Atelier des angebeteten Giacometti schlich und dabei zusehen musste, wie der Künstler Marlene in ein Taxi einsteigen ließ. Beckett war seinen Freunden, die nicht immer die interessantesten Leute waren, in seiner Treue so sehr ausgeliefert, dass er ihnen nie etwas versagt hätte, was ihnen irgendwie helfen konnte. Es gab bei ihm eine gewisse Vergewaltigung durch Freundschaft. Und dies galt nicht zuletzt auch für die Schauspieler.
Nancy Illig hatte er in Ulm bei der Aufführung eines seiner Stücke kennengelernt. Die rothaarige Schauspielerin war mittelmäßig. Als Beckett diese Frau vorschlug, raufte man sich im Süddeutschen Rundfunk die Haare. Der Sender hatte für das Einpersonenstück den fabelhaftesten Schauspieler und dazu die richtige weibliche Stimme vorgeschlagen. Aber da war nichts zu machen. Beckett ging auf keinen anderen Vorschlag ein. Auch eine weitere Fehlbesetzung, die des Engländers Deryk Mendel, ging auf das Konto von Becketts Treue zu seinen Freunden. He Joe ist ein Stück, in dem nur das Gesicht eines Mannes zu sehen ist. Er muss neunundzwanzig Minuten lang, also während des gesamten Stücks, ausschließlich durch sein Mienenspiel zeigen, was ihm die weibliche Stimme aus dem Off zuflüstert. Diese durfte nicht zugespielt werden. Es ist eine phantastische Herausforderung für einen bedeutenden Mimen. Mendels outriertes Grimassieren allerdings geriet in die Nähe der Masken von Lavater. Meines Erachtens war Mendels Mienenspiel in dieser Produktion viel zu psychologisch – das alles hätte indirekter, somatischer, nicht zuletzt zögernder wirken müssen. Und die Stimme von Nancy glich dies nicht aus. Auch abgesehen von dieser mediokren Besetzung wurde es eine sehr mühsame Produktion. Mendel hielt sich selbst für einen genialen Schauspieler, der keiner Kritik zugänglich war. Zudem stänkerte er stets gegen die Übersetzung von Erika und Elmar Tophoven, an der Beckett wie immer mitgearbeitet hatte. Wir litten unendlich. Alle im Studio, alle im Haus waren überaus angespannt, überreizt, auch Beckett. Dazu kam noch, dass die technischen Anforderungen alle vor unerwartete Probleme stellten. He Joe war augenscheinlich die erste Videoproduktion, an die man sich beim Fernsehspiel wagte. Und im Ampex-Verfahren ließ sich nichts schneiden, nichts verbessern. Völlig konzentriert, die Brille in die Stirn gezogen, im schwarzen Rollkragenpullover und brauner Cordhose saß Beckett da. Er hatte jedes Wort, jede Pause im Kopf. Ein Take musste die neunundzwanzig Minuten fehlerlos in den Kasten bringen. Wenn sich Nancy Illig nach fünf Sekunden versprach, ging es neu los, und wenn sie sich nach sechsundzwanzig Minuten versprach, hieß es gleichfalls wieder von vorne anzufangen. Das war absolut grauenvoll. Es gab gegen Ende der Zeit, die für den Dreh vorgesehen war, irgendwann einen Punkt, an dem alle zu meutern begannen. Man höre das Flüstern der Stimme, auf dem Beckett bestand, nicht, also versuchten alle ihn zu überzeugen, er solle Nancy Illig den Text doch halblaut sprechen lassen. Ich spürte, wie Beckett bei diesem Vorschlag
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