Mein Glueck
widerlich zu erleben, wie der Teil der Beutekunst, der in St. Petersburg in der Eremitage gezeigt wurde, bei der Vernissage nicht nur einige Privatleute, die Anspruch auf die Arbeiten erhoben, sondern einen Pulk von Kunsthändlern und Vertretern der großen Auktionshäuser anzog, die sich in der Vorfreude auf Riesengeschäfte die Hände rieben. Eine unschlagbare Erklärung für ihre Politik gab mir Irina, die ich in den Sälen des Museums in Dahlem wiedertraf, selbst. Wir waren allein mit den Meisterwerken, und die Direktorin des Puschkin-Museums stellte mir eine Frage, auf die ich keine Antwort wusste: »Wie kommt es, dass so wenige Deutsche diese Werke bewundern? Bei uns in Moskau wären die Säle brechend voll.«
Nach meinem Lichtbildervortrag über Picasso im großen Saal des Moskauer Künstlerhauses sollte Bob Wilson von seiner Theaterarbeit erzählen. Er hatte dafür eine schwarze Tafel angefordert, um auf ihr mit Kreide Schemata anzeichnen zu können. Die amerikanische Botschaft hatte für die Bereitstellung der Tafel tausend Dollar bezahlen müssen. Doch die Tafel, die schließlich aufgestellt wurde, war keineswegs schwarz, sondern von einem hellen Rosa, gegen das sich keine Schrift mit weißer Kreide durchzusetzen vermochte. Zum Besuch Kohls hatte sich eine gewaltige Meute von Journalisten eingestellt. Sie umringten uns. Kohl, der mich um einiges überragte, schlug vor, er könne mich ja auf seine Schultern nehmen, damit ich den Überblick nicht verlöre. Das wäre etwas gewesen: Christophorus auf dem Marsch durch ein gigantisches Nagelbett. Für die Besucher der Ausstellung war dieses Angebot von Nägeln paradiesisch. Tausende der kunstvoll verarbeiteten Nägel wanderten in ihre Taschen. Doch der Künstler hatte für Ersatz gesorgt, der in allen Größen zur Verfügung stand.
Pablo Picasso und Werner Spies
Nicht nur die Verweigerung der Leihgabe »Alter Jude mit Junge« aus Moskau verstimmte uns bei der Vorbereitung der Ausstellung der Kinderbilder Picassos. Es schien auch so gut wie ausgeschlossen, an das berührende Bild »Junges Mädchen mit Blumenkorb« aus der Rosa Periode, das Peggy und David Rockefeller gehörte, heranzukommen. Das Museum of Modern Art, das es als künftigen Besitz des Hauses betrachtete, mauerte ganz offensichtlich. Maya schrieb auf meine Bitte einen langen poetischen Brief an die Rockefellers, und als mich die Kuratorin der Sammlung daraufhin telefonisch wissen ließ, unsere Bitte werde von David mit Wohlwollen geprüft, interpretierten wir dies als endgültige Zusage. Der fabelhafte Dankesbrief, den Maya zwei Stunden nach dem Telefonat an Peggy und David losschickte, stellte diese vor vollendete Tatsachen.
Aus Anlass der Skulpturenausstellung, zu der alle Mitglieder der Familie, wie gesagt, mit Freuden beitrugen, traf ich seit Jahren das erste Mal wieder Bernard, den ich früher ab und zu als kleinen Jungen bei Kahnweiler in Saint-Hilaire gesehen hatte. Er empfing mich in einem Studio in der Rue de l’Université. Die Begegnung war mir unheimlich. Bernard Picasso hatte schwere Jahre einer Therapie hinter sich. Er war ziemlich schweigsam, mager. Seine flackernden und unruhigen Augen erinnerten mich an Anthony Perkins in »Psycho«. Doch aus diesem Treffen und aus der Zusammenarbeit für diese und spätere Ausstellungen entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Wie glücklich war ich, als er mir einmal sagte: »Dir werde ich nie einen Wunsch abschlagen. Denn du warst der einzige, der mich in einer harten Zeit liebevoll behandelt hat.« In der Tat reagierte er immer bereitwillig. Übermäßig schwierig wurde es nur mit der Restauratorin, die wie eine Spinne die Hand auf seine Sammlung gelegt hatte und den Aufbau der Ausstellungen für alle Welt zur Hölle machte.
Auch mit dem Musée Picasso gab es bei der Ausstellung des plastischen Werks in Berlin und Düsseldorf unerwartete Schwierigkeiten. Alle Leihgaben waren vereinbart, der Katalog im Druck, als mir die Kuratorinnen Hélène Seckel und Marie-Laure Bernadac mit Tränen in den Augen sagten, ich könne meinen Plan nicht realisieren, da Dominique Bozo, der Direktor des Picasso-Museums, das damals noch in der Planung war, alle Leihgaben stoppen wolle. Er habe die Order, keine Arbeiten herauszurücken, sondern mit aller Macht die Eröffnung des eigenen Hauses voranzutreiben. Das war die schlimmste Situation, die ich je erlebt habe. Christine Piot, die half, für den Katalog mein erstes Werkverzeichnis zu überarbeiten, ließ
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