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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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wider, die Picasso vom zeremoniellen Auftritt der Infanten bei Velázquez kannte. Unübersehbar hatte Picasso Angst vor der Pubertät der Mädchen. Sie beunruhigte ihn, und ich erinnere mich betroffen an das, was mir Maya dazu sagte: »Seit meinem zwanzigsten Lebensjahr konnte ich meinen Vater nicht mehr treffen. Er wusste nicht, wo sein eigener Körper endete und meiner begann.« Es war nicht einfach, in den Privatsammlungen an diese intimen und obsessiv aufgeladenen Bilder und Zeichnungen heranzukommen. Es waren offensichtlich Lieblingsbilder. Zum Glück besaß das Picasso-Museum den bedeutendsten Bestand. Das hatte einen Grund: Picasso verkaufte zu Lebzeiten nie Bilder von seinen Kindern. Das war für ihn ein Tabu. Es kam zu Anfragen, Absagen, zu erneuten Anfragen. Maya und ich arbeiteten eng zusammen. Bis tief in die Nacht ratterten unsere Faxmaschinen. Sie schrieb für mich zahllose Briefe, in denen sie den Besitzern klarmachte, warum sie gerade dieses Werk in der Ausstellung sehen wollte. Es würde sich lohnen, die inspirierten, von saftigen persönlichen Erinnerungen strotzenden Schreiben Mayas herauszugeben. Ihre ergänzenden Kommentare zu den Geschwistern habe ich im Katalog veröffentlicht.
    Die einzige Absage sollte schließlich die des Puschkin-Museums bleiben, die von seiner Direktorin Irina Antonova. Der damalige Kulturminister hatte mir eigens in Paris zugesichert, er werde das Bild reisen lassen. Doch im letzten Moment übergab es Irina einem Restaurator und entzog es damit für ein Jahr den Blicken. Sicher, unsere Anfrage fiel in die Zeit, in der erstmals die Diskussion um Beutekunst aufkam. Bei früheren Ausstellungen hatte Irina mir geholfen und etwa kubistische Zeichnungen von Picasso ausgeliehen. Und ich erinnere mich auch an einen Besuch in Moskau, im Winter, der mir und Monique unvergesslich geblieben ist. Einige Wochen zuvor war ich dort bereits Gast bei einem Treffen gewesen, das der umtriebige Michel Gaißmayer organisiert hatte. Ich wurde fürstlich in einem Gästehaus der Kommunistischen Partei untergebracht. Hier fanden auch die Genossen Aragon und Marchais Unterkunft. Es war ein Leben mit Kaviar satt und flauschigem Toilettenpapier. Eine prächtige und kluge Übersetzerin führte mich durch die Stadt und die Museen. 1988 kam ich auf Einladung der deutschen Botschaft und Michel Gaißmayers mit Monique zurück, um Bundeskanzler Kohl durch die riesige Einzelausstellung von Günther Uecker im Zentralen Künstlerhaus zu führen und um dort einen Vortrag über Picassos »Guernica« zu halten. Als wir am Flughafen ankamen, fanden wir die in Tränen aufgelöste Übersetzerin vor. Sie berichtete, die Partei habe eben die Reservierung unseres Zimmers im Gästehaus annulliert, und zwar, weil dort vor wenigen Tagen russische Schriftsteller zusammen mit Jewtuschenko sowie ihren ausländischen Kollegen einen Tumult angezettelt hätten. Nun sei es unmöglich, irgendwo ein Zimmer für uns aufzutreiben. Sie brachte uns in ein Büro im riesigen »Hotel Rossija« beim Roten Platz, in dem Michel Gaißmayer amtierte. Doch auch im größten Hotel der Welt mit seinen 3170 Zimmern und 6000 Betten gab es keine Unterkunft für uns. Man bat um Hilfe bei Kollegen. Schließlich rettete uns Hans-Peter Riese, der damals als Korrespondent der FAZ in Moskau lebte. Er besorgte sich den Wohnungsschlüssel eines Bekannten, der im Diplomatenviertel lebte und gerade auf Reisen war. Die große Wohnung war warm, auf dem Küchentisch schlugen riesige Küchenschaben ihre Purzelbäume. Da wir unangemeldet und damit illegal im Land waren, konnten wir uns nichts zum Essen kaufen. Unsere Übersetzerin brachte uns morgens Brot und Marmelade. Doch was das Gastronomische betrifft, erinnere ich mich vor allem an einen Nachmittag im Büro von Irina Antonova im Puschkin-Museum. Die Stunde des Nachmittagskaffees war gerade vorüber. Thomas Messer, der Direktor des Guggenheim Museums, hatte einen großen Teller mit Kuchen vor sich, den er zur Begrüßung gesättigt von sich schob. Ich war damals zu stolz, Tom zu bitten, uns die Reste zu überlassen.
    Irina Antonova traf ich regelmäßig. Bei jedem Besuch in Moskau, in Paris, Berlin oder Washington, immer aus Anlass der Sitzungen der Direktoren der großen Museen. Und dies vor und nach der Offenlegung ihrer geheimen Schätze, ihrer Trophäensammlung. In diesem Punkt blieb sie eisern. Niemand in Russland hätte sich getraut, über ihren Kopf hinweg eine Entscheidung zu fällen. Es war

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